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Lyriken der verpassten Revolution Texte

Legendario

Legendario. Sie war legendär.
Wie wenn Santeria-Hexerei zugleich ein Segen wär.
Lächelt süß wie Honig, haut dich um wie hart Rum,
Betrat den Tanzflur und der ganze Club ward stumm:
Eine Morena, dunkle Haut, schwarzes Haar und große Augen
Ein karibisches Lächeln wie zum Verstand dir rauben
Man fing zu munkeln / an, ich hör sie komme aus Havanna
Club-Musik ließ ihre Miene mehr verdunkeln
Doch bei Salsa oder Reggaeton ward’s plötzlich schönes Wetter
Und die Spanischtanzkurs-Stunden wurden mir dabei zum Retter
Wie bei Romeo y Julieta – nahm ich nen tiefen Zug
Sah mich selbst wie ich den Club durchquerte, zu ihr lief und frug:
“Señorita, wärst du vielleicht für ‘nen Tanz bereit?
Für ‘nen Tanz zu zweit, für jetzt oder die Ewigkeit?
Sie von Nahem zu sehen, toppt den Eindruck schon auf’s Ganze
Und bin ich sonst auch vorsichtig, brach ich für sie eine Lanze:
Denn ich nehm kein’ Cuba Libre. Ich mach’ mit Kuba Liebe!
Sie roch fantastisch und sah gut aus, wie ein feiner Single Malt

Die and’ren Frauen waren auch Single, aber neben ihr mehr old
…Timer /an: sonst siehst du nicht wie schnell sie sich bewegen kann,
Du brauchst sie nur zu sehen und schon fängt ein neues Leben an
Man sagt, Kubaner können alles reparieren: guapa du flickst mein Herz.
Die Jungs im Club geiferten, ihre Blicke sagten “die fickst du derbst”,
Doch du weißt dir schon zu helfen, wie man sich gegen solche Wichser wehrt
Du blickst verklärt, nix versehrt, über sie alle hinweg.
Und hast so ganz nebenbei mit Neid die ganzen Chicks ernährt,
sie haben alle gecheckt:
Mit deiner Person kam Trinidad in die Stadt, einer Heiligen gleich –
Dreeinigkeit: Körper, Seele und der “heilige Geist”
Ich brauch nicht fragen, wie ich dich auf Facebook finde; denn es ist klar:
Du brauchst kein Social Club. Chica du BIST Buena Vista!

Aber obwohl ich dachte, dass ich sie grad massig verführ’
Ist ihre eisig kalte Schulter alles was ich berühr’…


Und fühl mich neben dieser Latina
In die Ecke eingedrängt wie ne fiese Angina
…Merkel – auf ihrem letzten Trip in China
Ein deutscher Diener, und dabei war ich doch in Lima!
Doch auf Latino-Weltgewandheit legt sich ostdeutsche Patina
Macht mich unkontrolliert. Wie in Japan Fukushima
So starr in Form gepresst / wie ein Alexandriner.
Fühl mich so eingesteift Deutsch, als stünd’ auf meinem Pass längst Peter
So reaktionsträge wie Di-n-Propylether
Zwar Wohltäter wie Demeter
Aber jeder Meter hier im Äther nur Gezeter-Miesepeter
Und dabei KANN ich doch Salsa tanzen.
Aber sie sieht nur mich an als dächte sie:
“Leute wie du sind der Grund warum ich eigentlich nicht nach Deutschland kommen wollte”.

Hmm.
Und dann geht sie an die Bar. Wunderbar.
Und fragt den Kerl dahinter “Ist noch Rum mit Cola da?”
“Soda ja, Rum nein”, gibt er ihr zu verstehn,
Doch sie will nicht ohne geh’n, bestellt ‘nen Jägermeister-Red Bull
Und schenkt mir 100% Aufmerksamkeit… mal Null.
Bis ich vor sie trete und sage: “EY!
WAS GLAUBST DU EIGENTLICH WER DU BIST?
Ich bin zwar nicht so ‘n Chauvinist
Wie die, mit denen du dich sonst wohl umgibst
Doch das gibt dir nicht das Recht so zu tun, als wäre ich Nichts!
Du kommst so eingebildet wie die Bild und nutzt das als Schild
Doch gehst mit diesem Schutz so auf die Nerven wie beim Flippern “Tilt”!
Bist so wild und unnahbar, doch denk an den Ball
Und halt ihn ab und zu mal flach, denn sonst folgt Hochmut der Fall
Du willst mich ignorieren, schön! Aber ich sag es dir doch:
Dein Ausdruck macht keinen Eindruck, denn die Farbe fehlt noch.”

Und dann überrascht sie mich.
Stellt ihr Glas auf den nächsten Tisch, zieht den Barhocker heran,
Deutet auf den zweiten neben sich und meint:

“Okay.
Lass mich dir mal was erklären:
Ich möchte gar nichts verklären –
Ich hab mein Vaterland bis heute noch geliebt.
Doch hasse es, dass man sich für den Vater Staat dort stets verbiegt
Und eigentlich sollten wir doch dort alle gleich sein!
Nur kann halt doch nicht jeder überall so reich sein.
Und deshalb haben wir auf Kuba zwei verschiedene Währungen
Und erhielt ich nach dem Chemie-Studium auch sämtliche Ehrungen,
Bezahlte man mich nach dem Abschluss in moneda nacional
Und das ist nichts wert. Die Entscheidung war eher rational:
Studierte zahllose Semester über Kunststoff und Polyester
Und kann mir jetzt zwar Rum kaufen, doch keine Milch für meine Schwester!
Ohne Verwandte der Familie exiliert in Florida
Ging es tief, tief, tief runter, so wie Flo-Rida
Um an pesos convertibles mit dem Euro-Wert zu kommen
Hab ich in San Isidro “Sozialismus” neu erklärt bekommen:
Alle bekamen das gleiche von mir. Solang sie mich nur gut bezahlten,
War mir egal von welchen and’ren schönen Ländern sie mir prahlten
Und für touristen-abgespritzten Reichtum ließ ich sie gewähren
Um danach von dem Ergebnis die Familie zu ernähren.
In dem Wissen, dafür hat Ché, der von deinem T-Shirt lacht,
Damals ganz revolutionär zivile Leute umgebracht…
Das ist natürlich völlig egal, denn er hat uns ja “befreit”
Doch es hat sich nichts verändert, in der ganzen langen Zeit.
Außer dass man jetzt in bester kapitalistischer Manier
überall Ché-Kitsch kaufen kann.
Und wenn ich dich jetzt bitte, dein Shirt auszuziehen,
will ich nicht mein früh’res Leben weiter fördern –
Denn ich schlief zwar mit Touristen. Doch ich flirte nicht mit Mördern.”

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