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Rauchpartikel | Dies Mori

Der Morgen glänzte orange auf meinem Küchenparkett
Und wie im Traum hab ich den Tisch gekocht und Kaffee gedeckt
Es war ein Tag wie jeder Andre in meiner Stadt und auf dem Lande
Nur das er sich nicht länger unter meiner Decke versteckt
Am Weg zur U-bahn hab ich zwei Bettlern zehn Euro zugesteckt
Und ich war immer noch nicht arm
Aber die Straße dafür warm
Und in der Bahn da saß ein Kind und zählte Regentropfen weg
Von einer Scheibe an der sie zuvor nicht da waren.

Es war der Tag an dem ich meine eigene Nichtigkeit erkannte
Und der Himmel brannte. Brannte in Orange und rot
Weil die Sonne dort in tausend kleinen Rauchpartikeln tobte
Und uns ein CO2-Naturspektakel bot.

Auf der Wiese spielten Lieder auf Studentengitarren
Vor den trotz eiligen Schritts Menschen unendlich verharren
So dass sie auf der Stelle gehen, statt auf der Stelle zu gehen
Denn vier Akkorde hundert Songs durchdringen ihre Melodien
Wenn süßnaive Düfte ehrlich durch die Haare ihn’ wehn
Wo Strassenlampen lampiongleich leuchten als Bunt-Lichter
Und ich war unsichtbar.
Nicht mehr länger unsicher
Der Erzähler und Dichter meiner Geschichte – und nicht da.
Und obsolet wie ich geworden war, sah ich durch fremde Brillen
Wer braucht noch Sehhilfen hat man tausende Pupillen
Lernte schweigen und reden,
Übte schreiben und lesen,
Wollte schreien und gehen
Doch musste bleiben und sehen:
Die Schönheit der Zerstörung, das Glück des Untergangs
Unerkannt ungewandt, im Unterland-Umgewand
Doch wenn alles den Bach runtergeht
Kommt man irgendwann zum Meer
Und so träumte ich mich leer

Die Luft roch heimatfarbensüß
Während ich irdisch Maden grüß
Ist mein Bewusstsein erstmals wirklich hier
Wo es zählt,  ausgewählt sich erzählt
Auf frisch verliebten Lippen
Dem Fußabdruck im Sand
An aufgerauchten Kippen
In ner ausgelaugten Hand
In menschenleeren Gassen
An voll gefüllten Tresen
Über kaffeewarmen Tassen
Und beim neugebornen Wesen

Sag was bedeutet Religion schon
Außer dir Kraft zu geben
Gut zu handeln und Schönes zu sehen
Doch wo ich stand nun, da gab es schon das Leben
Ich stieg nicht auf zu einem vielgelobten besseren Ort
Denn wo ich bin war er dort und ich ging nicht mehr fort
Meine Kathedrale war das Flussgefällesommerrauschen
Meine Hoffnung zwischen Speichen eines Fahrradreifen
Meine Liebe respektierte jede buntfarbenen Schleifen
Und mein Glaube wollte Schwerversprechen lauschen.

Wenn meine Zehen jenes eherne Beben nicht mehr erleben
Will ich euch rege tanzen sehen, wegen des ewigen Segens
Mag meine Asche in den Venen zäher Pflanzen aufgehen
Denn ich will Leben geben anstatt in ner Kiste verwesen

Es war der Tag an dem ich meine eigene Schlechtigkeit erkannte
Und der Himmel brannte. Brannte nur in schwarzem Rot
Weil die Sonne dort in tausend kleinen Rauchpartikeln tobte
Und uns ein CO2-Naturspektakel bot.


 

Der volle Text wird ab Herbst 2017 in meinem Gedichtband “Märchen aus einer grausamen Welt” (Periplaneta) zu lesen sein!

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