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Bogotá: Con mucho gusto

Blick auf BogotaVom Cerro de Monserate, erreichbar per Seil- und Zahnradbahn, blicke ich hinab auf die 8-Millionenstadt Bogota, die ihre äussersten Viertel wie Finger in die umliegenden Berge schiebt. Auf der Rückseite des Hügels: unberührte Natur. Es ist mehr als nur ein Aussichtsounkt: man nimmt Distanz hier zu dem Chaos da unten. Candelera, BogotaMaursich beeinflusste Kirche in BogotaGestern war ich noch in der Innenstadt, die übrigens nebenbei gesagt ganz hübsch ist (u.a. im historischen Zentrum) und ein Teil dieser Massen, deie sich täglich durch die durchnummerierten Strassen schiebt und sich in überfüllte Transmillenio-Busse quetscht. Und jetzt stehe ich hier oben (übrigens schon wieder bei strahlendem Wetter, obwohl Bogota sonst dafür berühmt ist, verregnet zu sein) und betrachte all das… symbolisch für Soziologen, immer zwischen Nähe und analytischer Distanz schwankend 😉 . Und wo wir gerade beim Analysieren sind, muss ich doch auch mal ein paar Worte zu diesem Land loswerden, in dem ich mich gerade befinde.
Hartnäckig hält sich der Ruf seit mehreren Jahrzehnten, dass Kolumbien wahnsinnig gefährlich sei. Wer hier her kommt, sieht oft nur Cartagena, die von Mauern gesäumte, sichere Touristenhochburg an der Caribik. Lonely Planet hat nicht mal einen deutschsprachigen Reiseführer für diesees Land, und in jedem Artikel in Deutschland über Kolumbien finden minestens ein mal die Narcos und die Paramilitärs Erwähnung. Doch so ist Kolumbien nicht – zumindest nicht nur. Zweifellos, es gibt sie, die unwirtlichen Landstriche im Bürgerkriegsähnlichen Zusstand, und gerade gestern ist all das ein wenig näher gerückt – zwei mit zwar nicht persönlich, aber über 2 Ecken bekannte Biologiestudenten der Universität Los Andes in Bogota wurden auf einer Exkursion im Feld von Paramilitares umgebracht. Grundlos natÑurlich. Und so stimmt es natürlich, dass man hier auspassen muss, wo man hinreist, auf lokale Empfehlungen/Abraten hören sollte und mit offenen Augen durchs Land reisen muss. Und dass sich an vielen Strassenkreuzungen in Stadt und Land schwerbewaffnete Polizisten und Militärs befinden, ist ebenfalls Alltag.
Und doch: geschätzte 95% sind ehrliche, hilfsbereite Menschen, fern jeder Böswilligkeit, die ihnen ihr strenger katholischer Glaube ohnehin verbieten würde (auch wenn das natürlich in der Vergangenheit oft genug alles andere als ausreichender Grund war). Übers Ohr gehauen wir hier der interessierte Tourist wahrscheinlich weniger als in anderen Ländern Lateinamerikas: die Kolumbianer sind froh über jeden Ausländer, der trotz des Rufes hier her kommt und Interesse für sein Land, seine Kultur, seine Region und Stadt zeigt – insbesondere, wenn dieser Spanisch spricht. (Sonst ist es auch manchmal recht schwer, bei den Englischkenntnissen hier…). Jeder hilflose Besucher kommt nicht nur Hinweise, wo man besser nach Ladrones (Räuber/Diebe u.ä.) ausschaut, oft wird statt einer Wegbeschreibung der Suchende einfach gleich zum gesuchten Ort mitbegleitet, wofür sehr viel weniger eine kleine Entlohnung erwartet wird, als man als Südamerika-Reisender denken würde. Und wenn man von seinen Reiseplänen erzählt, begegnet man nicht etwa Neid auf den europäischen Reichtum, sondern Begeisterung für das Reisen – denn die Kolumbianer reisen selbst sehr gern. Zu Ferienzeiten strömen v.a. aus den Städten zahllose Familien (die es sich leisten können) zu den verschiedenen wundervollen Orten dieses Landes, und wer etwas Geld mehr hat, war auch schon in umgebenden Ländern oder sogar Europa. Natürlich kann sich das längst nicht jeder leisten, denn Kolumbiens Reichtum ist ungleichmässig verteilt. Viele Menschen arbeiten hart von morgens bis abends, um ihre Familie zu ernähren oder ein Studium zu finanzieren. Aber auch die, oder vielleicht gerade die, lassen kein schlechtes Wort auf sich kommen. Und auch wenn von Bediensteten bisher die Floskel “a la orden” (zu Diensten) dominiert, hört man immer häufiger auch ein sehr ehrliches “con mucho gusto” (mit grossem Vergnügen/sehr gerne). Und irgendwie spiegelt dieser Satz die kolumbianische Mentalität wieder – ob man sich mit Freunden unterhält oder einem Fremden den Weg zeigt, einen Kaffee ausschenkt oder den ganzen Tag nichts anderes tut als Seilbahntüren zu schliessen, ob man sich in einer Salsabar oder beim Glücksspiel amüsieren geht oder sich für seine Familie aufopfert: der Kolumbianer tut das meist con mucho gusto. Darum kann auch ich nur antworten auf die Frage, wie ich denn durch Kolumbien, dieses so vielseitige, zu Unrecht verrufene Land reise: con mucho gusto.

13.1.11, Bogota, Kolumbien

2 Antworten auf „Bogotá: Con mucho gusto“

Hallo Jesko,
das ist mal wieder sehr interessant, was Du über Kolumbien und vor allem Bogota schreibst. Aber ist das nicht in allen “Unrechtsstaaten” so, dass die Bevölkerung an sich nichts mit den Taten einiger weniger zu tun hat. Sie sind doch meistens nur die Leidtragenden und müssen sich damit arrangieren. Trotzdem solltest Du gut auf Dich aufpassen! Ich wollte uns jetzt nach Kuba abmelden. Am Freitag geht der Flieger Richtung Torben und Havanna. Wir freuen uns schon riesig auf das Wiedersehen und die gemeinsamen 10 Tage mit ihm. Nach unserem Rückflug sind es ja dann auch nur noch ein paar Tage bis zu eurem Wiedersehen in Panama. Wann planst Du denn Deine Ankunft in Panama City?
Liebe Grüße aus dem nunmehr frühlingshaften Hannover
Rainer und Gabi

Dann hoffe ich mal auch für Dich, dass Dein guter Wille, Deine guten Spanisch Kenntnisse und Dein großes Vergnügen Dich weiterbringen und begleiten werden… Ebenso wie das von mir an Dich gewünschte Gottesvertrauen, der Dich stets überallhin beschützen soll! Deine Nanni

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