Kategorien
camino Reiseblog

Euskadi

 

Es gibt kein Dorf der letzten zwölf Tage, in dem nicht mindestens eine Mauer die Umrisse des Baskenlands trug. “Baskische Gefangene zurück ins Baskenland!”, reklamieren sie, und an manchen Orten haben nur radikale Tierschützer den ETA-Schriftzug mit einem vorangestellten P noch verwandelt. Dieser Tage, in denen ich mich der Grenze des Baskenlands nähere, wird mir nochmal die Eigenheit dieser Region bewusst. Die Straßenschilder tragen zwei Namen, die grummeligen Basken grüßen dich mit einem Laut, der nach “Hopa!” klingt (hey, das ist baskisch, keine Ahnung was die da tatsächlich sagen), und im Brot stecken kleine Fähnchen mit der baskischen Flagge. Spanische Reisende sind selten, und nur jene Basken, die selbst einst pilgerten, bauen freundliche Stände am Wegrand auf um den Wanderern Kaffee und Melonen anzureichen. Zugleich: was für ein schönes Land! Die grünen Berge und verträumten Dörfchen bieten eine unvergleichliche Kulisse, und manchmal kommt man gar in einen Ort wie Portogalete, wo zwischen den Industriegebäuden der Vorstädte Bilbao überfreundliche Bäckerinnen, um 7 Uhr morgens betrunkene Café-Besucher und Kaffee-Servierer dich mit einem gutgelaunten “Buen Camino!” und einer Schokoladen-Muschel im Cappucino begrüßen. Guernica hingegen, das angebliche einstige Herz des Baskenlandes, bevor Franco und die Nazis es dem Erdboden gleich machten, ist (nicht zuletzt eben deswegen) eine eintönige Kleinstadt. Ganz anders dafür Bilbao – zumindest die Altstadt. Hübsche Gässchen, eine surreale Bibliothek, das humorvoll platzierte vegane Café in der Calle de la Carniceria Vieja… Beim Mittagessen auf der Plaza werden Sorpresa und ich freudig überrascht, als Busqueda auftaucht, die wir zwei Tage zuvor auf dem Weg verloren hatten. Für sie endet die Reise hier, Bilbao ist ihr Endpunkt. In Eskerika war sie zwei Tage geblieben, in der privaten, aber von der Jakobusgemeinschaft empfohlenen Herberge die schön und ruhig schien, da die Unterkunft in Bilbao ein mehr als überteuerter Spaß ist. Leider  betreibt diese Herberge ein Mensch, der es offenbar okay findet, alleinreisende Frauen auf gruselige Weise zu belästigen. Busqueda verbrachte die Nacht im Zelt mit dem Messer neben dem Kopfkissen und brach im Morgengrauen auf, um anderem Grauen zu entgehen. Es spricht für das Kharma, dass ein alter Bekannter ihr in Bilbao eine Unterkunft bei einer Familie organisierte, die sie liebenswürdigst bekochte und versorgte und ihr so eine gute letzte Erinnerung an den Camino besorgte. Es war ein herzlicher, erster Abschied, als Busqueda in Bilbao blieb, und wir uns weiter auf den letzten Abschnitt Euskarias machten. Meinem Knie geht es derweil wieder besser, die steilsten Abschnitte des schönen Baskenlands liegen hinter mir und mir wird bewusst: langsam werde ich immer mehr Pilgerbekanntschaften zurücklassen, die nicht den ganzen Weg gehen werden (oder ihn in der Hälfte der Zeit zurücklegen). Die G’muatlichkeit ist bereits auf dem Heimweg, Busqueda verbringt die letzten Tage in Bilbao, und auch Sorpresa wird in einer handvoll Kilometer andere Wege gehen. Der Camino wird anders sein, ohne diese Menschen, die ihn mit dir begannen.

Wem ich sonst so begegnete:
– George, der eigentlich nicht George heißt, aber mich dafür Peter nennt, tagsüber ein begrenzt spannender Bibliothekar ist, aber nach dem zweiten (oder fünften) Cidre (oder Bier) eine Partie Chess zu Guess verwandeln kann
– Mariposa, die sich mitten in einer Transformation von der Werbeagentur zur Yoga-Lehrerin befindet
– den spanischen Erdgas-Pensionär, der sich über Klimawandel und baskischen Nationalismus wundert
– den allwissenden Erzähler, der ein Guidebook über den Camino del Norte schreiben will aber kein Spanisch kann, dafür aber die Belegungspläne aller Herbergen zu kennen glaubt

ZUSAMMENFASSUNG:
Baskischer Nationalismus, Portogalete (das freundliche, aber hässliche Herz Euskarias), ein belästigender Hospitalero in Eskerika, Abschied von Busqueda, ein nerviger allwissender Erzähler.

Eine Antwort auf „Euskadi“

Es gibt immer im Leben die einen und anderen Bekanntschaften. Bei manchen schmerzt es, sie andere Wege gehen zu lassen, bei anderen ist man froh, ob der getrennten Wege. Du wirst neue Menschen und Wegbegleiter finden und kennenlernen und für diese weitere Strecke wünsche ich dir Kraft, gute Gedanken, starke Muskeln, ein intaktes Knie und Gottes Geleit. ? Nanni

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert