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Umzug nach Jesúsmaría

Von heute an wohne ich im urbanen Jesúsmaría in der Calle Nicaragua, sehe aus meinem Fenster im 5. Stock direkt auf die Avenida San Felipe und wohne mit Angela Cisnero, einer peruanischen Gastronomiestudentin, in einem angenehmen Appartment mit mehr als genug Platz und ohne nervige Regeln.
Nach meiner Demografia-clase gestern packte ich mein Zeug zusammen und liess Rosanna das Zimmer inspizieren. Bei der Gelegenheit erklärte ich ihr auch gleich noch meine Unzufriedenheit als primären Auszugsgrund, liess mich jedoch nicht auf eine Diskussion ein – den Stress wollte ich mir echt nicht geben, einen Tag vor meinem Auszug hatte ich wirklich besseres zu tun.
Heute früh um 8 ging es dann erstmal zu “Procesos sociales y politicos en Latino America”, was sogar stattfand, und für eine 4.-Semester-Veranstaltung gar nicht so schlecht war. (Mehr dazu später mal.) Ich ging ein bisschen früher, da Angela nach 10:30 selbst Unterricht hatte und ich mich entsprechend beeilen musste, um meinen Rucksack aus der Seoane abzuholen, in ein Taxi zu packen und nach Jesúsmaría zu düsen. Inzwischen habe ich mich wohnlich eingerichtet, meine Schlüssel bekommen und im PlazaVea ne Menge Lebensmittel für insgesamt S/ 70 eingekauft (dafür natürlich deutlich mehr bekommen als für das Euro-Äquivalent in Dtl.) – jetzt wo ich mich ja wieder selbstständig ernähre…
Den Rest des Tages streunerte ich ein wenig durchs barrio um mich zurechtzufinden und verbrachte wohl den ersten Abend in Peru einfach mal nur zu Hause (was meine neue Wohnung sicherlich mehr ist, als das “Studentenhaus”) einen Film ansehend. …wow, schon seltsam, sonst war wirklich immer irgendwas am Start, oder früh ins Bett gehen aus irgendeinem Grund angesagt…

1.9.2010, Lima (Jesúsmaría)

Mein erster Tag in Lima wohnend
Heute dann gleich mal gut gefühlt, so in seiner WG aufzuwachen. Warmes Wasser hab ich auch, jeden morgen kommt ein Brötchenmann hier vorbei und ich genoss ein ausgiebiges Frühstück während ich mich mit Angela unterhielt. Schon krass, was so ein Zimmer ausmachen kann, ich fühlte mich plötzlich richtig entspannt. Bin eben doch der WG-Typ. 🙂
Den Vormittag machte ich mich wieder auf Erkundungstour und entdeckte einige hübsche Parks (leider nicht direkt um die Ecke, aber auch nicht wirklich super weit weg), die ich sicher noch das ein oder andere Mal aufsuchen werde. Einen micro zur Uni fand ich auch recht schnell und kam mal wieder pünktlich zur zu spät anfangenden Demografia-klasse an. Immerhin gabs da zum ersten Mal ne einigermassen ernstzunehmende Aufgabe und ich werde jetzt mit Sergio in Gruppenarbeit die demographischen Alterspyramide von Pueblo Libre mit Halle Zentrum vergleichen 😉
Unterdessen schrieb mir Joel, ein Freund einer guten Bekannten von mir per SMS, er sei grade cerca der Uni, ob wir uns nicht dort treffen wollten und was essen gehen (hatten schon seit einiger Zeit geschrieben, uns doch mal zu treffen). Ich erkannte ihn erst nicht, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass er doch schon etwas älter ist, arbeitet bei BASF und war mit dem Auto (nem dicken PickUp) da. Innerlich zögerte ich erst, ins Auto einzusteigen, aber andererseits sprach seine Freundschaft zu meiner Bekannten für ihn, sie hätte mir schliesslich sonst nicht den Kontakt vermittelt. Wir assen in einer ChiFa und unterhielten uns ein wenig über peruanische Politik (natürlich korrupt), die anfallenden alcaldía-Wahlen (zu denen er nicht da ist und deshalb Strafe zahlen muss weil es hier Wahlpflicht gibt) und seinen kommenden Aufenthalt in der Schweiz und in Deutschland zum Oktoberfest (ja wirklich… 😉 er fährt für BASF nach Zürich, und wenn man schon mal im Oktober so nahe ist…). Und meine Befürchtung bestätigte er: es scheint ausser dem “Comercio” keine ernstzunehmende Zeitung hier zu geben. Da kann man über unsere Vielfalt in Deutschland schon ein bisschen froh sein.

2.9.2010, Lima

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Sind Sie Herr Habert nach Caracas? Wo waren Sie denn so lang?

…sagt die Lufthansa-Stewardess am Eingang zum Gate 26, von dem mein Flug nach Caracas um 11:25 abfliegt. Meine Uhr zeigt 11:26. Aber die geht ja auch immer ganze vier Minuten vor.
Wo war ich denn so lang? Nun ja, ich musste erst meine Bestimmung finden und mit dem Hispanistik-Studium beginnen um mich fuer ein Auslandssemester in Peru zu entscheiden, das dann von langer Hand planen und schliesslich Halle hinter mir lassen, bevor ich diesen Flug antreten konnte. Lateinamerika hat schon auf mich gewartet.
Die Stewardess meinte aber sicher eher die Maschine, die “auf mich gewartet” habe. Okay, das ist etwas schneller zu erklären: ich habe mich in vorauseilendem Gehorsam wohl schon an lateinamerikanische Zeitverhältnisse angepasst. Und ihr wisst, wie lange Familienabschiede dauern können. Und nachdem ich mich von ihnen und Torben verabschiedet hatte, musste ich auch noch durch die lange Schlange zum Gepäckcheck und durch die Passkontrolle, und dann noch den langen Weg zum Gate runter. Und vorher natürlich lange anstehen, um mein Gepäck aufzugeben. Habe also genug Ausreden. Ausserdem wollte ich nicht früher aufstehen. Und der eigentliche Start liess ohnehin bis 11:48 auf sich warten. Was stellt ihr euch eigentlich so an?
Jetzt bin ich jedenfalls in der Luft, unterwegs nach Caracas, wo ich dann in den Flieger nach Lima umsteigen werde. Aufgeregt? Schon. Müde? Immer. Gespannt? Natürlich!
Mein Reisetagebuch ist offiyiell eingeweiht, Deutschland liegt hinter mir und acht Monate Neues vor mir. Wir sehen uns in Ecuador, Panama oder im April wieder in Deutschland – wir hören uns irgendwann – wir schreiben uns bald!

1.8.2010, Lufthansaflug Frankfurt-Caracas.

Ich bin jetzt raus, fühl das Fernreise-Enzym
Lass den Artikel weg und verzichte auf mein Synonym
Sag nicht “derjesko unterwegs”, sondern “ich bin am reisen”
Lass die Gedanken von nun an um die halbe Welt reisen!

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Countdown zum neuen Leben / Flashbacks

14 Tage. Der Countdown läuft. In zwei Wochen werde ich im Flieger von Frankfurt am Main nach Lima sitzen und mein derzeitiges Leben in Halle hinter mir lassen. 
Während ich mittlerweile meine Unterkunft für den ersten Monat klargemacht habe (Adresse für Post geb ich euch auf Anfrage) und das Bafoegamt drängele, verlassen immer mehr Freunde die Stadt für die Semesterferien und sehen mich damit zum letzten Mal für recht lange Zeit. Lange Verabschiedungsumarmungen, Zigarre rauchen mit Flo an der Fontaine, mit Torben in der Sonne chillen… In solchen Flashbacks merke ich was mir fehlen wird. Auch wenn ich mich auf das neue Leben freue und irgendwie loslassen werde, bleibe ich ja schließlich in Kontakt – was einem einmal wichtig ist, vergisst man ja auch nicht so schnell. Und deshalb freue ich mich auf das was bleibt, wenn ich zurückkomme und gleichzeitig auf das, was ich hinzugewinne – was immer das auch sein wird. 
Meine Güte klingt das schon wieder nachdenklich-melancholisch. Ist aber gar nicht so gemeint: ich bin echt gespannt auf das, was auf mich zukommt! Meine Zwischenmiete kriege ich auch noch organisiert und mein Koffer ist im Geiste schon gepackt. Die Temperaturen gleichen sich schon ein bisschen dem peruanischen Niveau an und so langsam wird auch mir bewusst, dass die Zeit mal wieder schneller vergeht als gedacht. 14 Tage. Der Countdown läuft.  

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Fuck Yeah Se Van

Es ist Sommer, die Temperaturen bleiben bis spät in die Nacht schweißtreibend und der Tag meiner Abfahrt ins verregnete Lima rückt näher. So nah, dass ich diesen Samstag bereits meine Abschiedsparty hier in Halle steigen ließ – genaugenommen “wir”, denn ich feierte mit meinem besten Freund Torben zusammen, den es für den gleichen Zeitraum nach Havanna verschlagen wird.
Fuck Yeah Se Van Fuck Yeah, Se Van… (frei übersetzt “Verdammt nochmal, sie gehen fort”, nur viel zu lang und längst nicht so cool), war dann auch das Motto, und jeder der Eingeladenenbeschrieb auf einer entsprechend präparierten Karte, was er/sie jetzt endlich wieder/nicht mehr/immer noch machen kann/will/wird, wo wir zwei weg sind. “Lange Männergespräche“, “Disney Musik hören und Disko Pogen“, “auf Jeskos Bett hüpfen“, “extra Spanisch lernen“, “Dienstags wieder früh ins Bett kommen” (in einigen Variationen) und einiges mehr fanden sich in unserer “Fuck Yeah- Se Van“-Box ein. Mit einem wahnsinnig tollen Verabschiedungsfilm von unseren Freunden chillten wir gemütlich auf der Peißnitz-Wiese bei diversen Flaschen Bier und “Disko Cola” und die vorzeitige Sehnsucht nach den zurückbleibenden Freunden zeigte ihre ersten Zeichen. Es war eine wirklich schöne Feier, danke an alle, die da waren!

Unterdessen streiche ich immer mehr Punkte auf meiner “Peru to do”-Liste ab, es verbleiben derzeit nur die Zwischenmiete und die Gelbfieberimpfung und eine Hostel-Reservierung für die ersten Nächte. Die Universidad San Marcos hat inzwischen die benötigten Formulare zurückgeschickt und so konnte ich meine Semester-Beurlaubung und den vollständigen Bafög-Antrag einreichen – bei letzterem warte ich allerdings noch auf eine Antwort vom Amt, da die Mailbox meiner zuständigen Beauftragten voll ist. Diesmal liegt es also nicht an der lateinamerikanischen Mentalität. Es sei denn, die besagte Frau hat einen lateinamerikanischen Migrationshintergrund.
Auch meine eigene Reiseplanung verfestigt sich inzwischen. Nach vielen Stunden Schmökerns im “Lonely Planet” und Absprachen mit meiner Schwester sieht der “Plan” nun folgendermaßen aus:

  • August bis Mitte Dezember: Peru. Während der Vorlesungszeit werde ich natürlich den größten Teil der Zeit in Lima verbringen, die Veranstaltungen besuchen und so viel wie möglich vom Leben der limeños mitbekommen. Zwischenzeitlich werde ich für verschieden lange Ausflüge nach Iquitos reisen (einer Stadt im peruanischen Amazonas, die nur per Luft und Wasser erreichbar ist) sowie nach Arequipa (der “weißen Stadt”), Cusco (der alten Inka-Hauptstadt), Puno und zum Titicacasee (und vielleicht von da aus für einen Ausflug nach La Paz) und natürlich Macchu Picchu, der meistbesuchtesten Ausgrabungsstätte Lateinamerikas, die auf keiner Reiseplanung eines Perureisenden fehlen darf.
  • Mitte Dezember bis Anfang Februar: Ecuador. Im Anschluss an die Vorlesungszeit (und damit auch über die Weihnachtsfeiertage) werde ich von Lima aus nach Ecuador reisen. Wo und wie genau das sein wird, ergibt sich dann noch im Laufe der Zeit. Ich versuche auf jeden Fall meine connections spielen zu lassen, und ein paar Freunde von Freunden kennenzulernen. Je nachdem wie ich vorwärtskomme, werde ich in diesem Zeitraum auch noch ein wenig von Kolumbien sehen.
  • Anfang Februar werde ich dann in Panama sein, wo ich meine große Schwester in Panama-Stadt vom Flughafen aufsammeln werde. Zusammen werden wir dann besonders viel Zeit in Panama verbringen und unter anderem den dortigen Karneval mit erleben.
  • Bis Anfang März werden wir irgendwie bis San José in Costa Rica gereist sein, von wo meine Schwester dann wieder gen Heimat fliegt. Vorher bleibt sie aber freundlicherweise noch an meinem Geburtstag da und wird sicher auch noch einiges von Costa Rica miterleben.
  • Den Rest des Monats werde ich dann wieder alleine reisen, wobei ich entweder in Costa Rica bleibe, oder aber nach Nicaragua weiterreise – das muss ich spätestens im Januar entscheiden, wenn ich meinen Rückflug umbuche. Der wird mich dann entsprechend entweder von San José oder von Managua aus gegen Ende des Monats zurück nach Frankfurt bringen.

Soweit die Überlegungen – wie gesagt, alles weitere wird sich dann während der Reise ergeben. In der Zwischenzeit bleibe ich in einem merkwürdigen Gefühlschaos zwischen Vorfreude und die Wehmut nach dieser Stadt und all den Leuten hier, die mir ans Herz gewachsen sind. Will einerseits loslassen, mich frei und offen machen für all das Neue, und doch gleichzeitig einen Teil des Alten beibehalten – denn auch wenn ich in manchen Momenten scheine, als würde mir so ein Schritt so einfach fallen: in diesen anderen Momenten merke ich, dass es das eben nicht ist. Wenn ich am Hufeisensee sitze und der untergehenden Sonne zusehe und an die vergangene Zeit denke. Denn eins ist klar: ich werde mich verändern, und mit mir wahrscheinlich auch ein Teil der Beziehungen zu der ein oder anderen Person. Und ich kann nur hoffen, dass das, was wichtig ist, sich mit mir verändert.

 

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    Planung und die lateinamerikanische Mentalität – eine Liebesgeschichte

    Okay, ich gebe es zu – ich bin übereifrig was das vorausplanen und organisieren von Zukünftigem betrifft. Das weiß ich, und deshalb versuche ich mich meistens zurückzuhalten. Aber ein Auslandssemester in Peru gehört meiner Meinung nach zu den Dingen, die zumindest ein bisschen geplant gehören. Das bringt mich natürlich in einen Konflikt, denn wie ich nicht nur weiß, sondern gerade auch nochmal in der Praxis erfahre, ist die Beziehung zwischen Planung und der lateinamerikanischen Mentalität eine grandiose Liebesgeschichte… oder anders gesagt: sie stehen auf dem Kriegsfuß.
    Natürlich ist mein Flug bereits gebucht, meine vollständigen Unterlagen müssten mittlerweile seit einigen Monaten ihren Weg an die Uni Lima gefunden haben und der Teil der Papiere, die ICH dem Amt für Bafoeg-Förderung im Ausland schicken kann, liegt da natürlich auch schon vor. Aber das heißt ja nichts. Eine auch nur vorläufige Bestätigung der Uni Lima, dass sie jemals von mir gehört haben, lässt bisher noch auf sich warten (ganz zu schweigen von den vom Bafoegamt benötigten Unterlagen selbiger Uni), die Verantwortlichen vom Bafoegamt in Bremen lassen sich offenbar (auch wenn sie mit größerer Sicherheit keine Lateinamerikaner sind) auch ihre Zeit, und die Verantwortliche für das Partnerprogramm mit Lima an unserer hallischen Uni ist zwar wirklich nett und gibt sich sicherlich redliche Mühe – aber auch sie war vermutlich schon zu lange auf dem südamerikanischen Kontinent. Hinzu kommt, dass das peruanische Konsulat in Deutschland derzeit keine Studentenvisa ausstellen kann, weil es “eine Gesetzesänderung gegeben hat”. Wann (und ob überhaupt) sie das wieder können, und was ich in der Zwischenzeit machen soll, das steht da natürlich nicht. Der Kommentar der Lima-Verantwortlichen unserer Uni dazu: “Machen Sie sich mal keine Sorgen, das funktioniert schon rechtzeitig wieder”. Das eine wie auch immer geartete Unterkunft in Lima (“Wir können dann da eine Familie für sie organisieren, aber das machen wir dann im Juni oder so”) noch ungeklärt ist, ist dagegen geradezu bedeutungslos.
    Trotzdem muss ich hier natürlich noch ein Urlaubssemester beantragen, meine Krankenkasse kündigen und diverse andere Kleinigkeiten klären – alles in der Hoffnung, dass die Uni Lima überhaupt weiß wer ich bin und im August ein kleines Studentenkärtchen oder wenigstens ein unterschriebenes Formular für mich haben. Naja, und wenn das nicht klappt – dann reise ich eben acht Monate durch den Kontinent. Ganz ungeplant. Lateinamerikanisch eben.