Kategorien
Alte Reisen Reiseblog

Auf der Trollzunge

Ich überblicke den Fjord
Trolltunga PosingLiegestatt Fels
Unter mir erstreckt sich ein mächtiger Fjord, die mehrere hundert Meter hohen Steilklippen ragen steinern und nur im unteren Drittel bewachsen daneben auf und ich sitze auf dieser kleinen, schmalen, zum Glück nur begrenzt windigen Klippe namens Trollzunge, die Beine über dem Abgrund baumelnd. Trolltunga ist, trotz aller touristischen Popularität (kommt man Mittags, muss man Schlange stehen) ein mächtiger Anblick. Neben der berphmten Klippe ragt noch eine kleinere über die Schlucht, ein paar weitere nah-am-Abrund-Stellen laden zum Wagemut ein und wir probieren natürlich alle davon aus.
Jumpy PictureWir, das sind 5 internationale Studenten an der Uni Oslo (die wanderunerfahrene Biologin, der Kommunikationswissenschaftler, die britische Skandinavistin, die australische Designerin und ich), die sich am letzten Wochenende zusammengetan haben, die Trollzunge zu bezwingen. Am Freitag hatten wir uns aufgemacht, gleich nach der Uni den Mietwagen abgeholt und unsere vollbepackten Rucksäcke mit einer Armada von Sandwiches verstaut und waren die guten 6 Stunden nach Odda gefahren – auf der südlichen Strecke, ein herrlicher Weg vorbei an Wasserfällen und Seen (was auch sonst) und mit nur einem Verfahren das aber dafür schöne Aussicht auf schmaler Straße bot. Erst nachts und im Regen erreichten wir den Campground, wo wir möglichst zügig das eine Zelt aufbauten (zwei schliefen der Einfachheit halber im Auto), und am Morgen mit Ausblick auf (na was wohl) einen riesigen See erwachten. Nicht weit von Odda entfernt kamen wir dann zum Startpunkt des Wanderweges, der selbst im schlechtwetterlichen Spätsommer (obwohl wir kaum Regen hatten danach) gut besucht war.
Das steilste Stück
Die ZahnradbahnDer Weg beginnt mit einem furchtbar steilen Stück gute 1,7 Kilometer, die man auch auf den mit viel Fantasie als Treppe zu bezeichnenden Holzstreben auf einer alten Zahnradbahn zurücklegen kann (und dabei das Tal erschreckend klein werden sieht). Völlig erschöpft und durchschwitzt kamen wir oben an, yeah, wir hatten es geschafft, jetzt fehlten nur noch 9 Kilometer. Die gingen auch erstmal noch weitere 3 km relativ durchweg aufwärts, bevor wir das obere Plateau erreicht hatten und da nun eine Weile mit nur kleineren Steigungen, dafür aber mit einem eiskalten, starken Wind kämpfen mussten.
Auf dem HikeDie letzten 2 KilometerSteiniger Pfad
Das CampWir schlugen unsere Zelte 2 km vor dem Ziel auf, an einer Stelle, die nicht wirklich als windgeschützt, aber immerhin windgeschützter als der Rest zu bezeichnen war – zum einschlafen begleitete uns das Knattern der Zeltwände im Wind. Auf der Höhe findet sich nun wirklich nicht mehr viel außer einer klaren Quelle, teils sumpfigem Moos und ein par quiekenden Lemmingen. Wir bereiteten unseren Couscoussalat vor damit er seine zwei Stunden ziehen konnte und wanderten dann, vom Gepäck befreit, weiter zur Klippe, durch steinige Felslandschaft, auf der nur das rote “T” und übereinandergestapelte Steine uns den Weg wiesen. Und dann eben Trolltunga. Wir hatten den Ort aufgrund der späten Zeit fast für uns, und nur eine kleine Gruppe Wanderer, die um 7 tatsächlich noch vorhatten den ganzen Weg zurückzugehen, kreuzte noch unseren Weg.
Am nächsten frühen (und sehr kalten) Morgen gingen die Skandinavistin, die Designerin und ich noch einmal dorthin, wo wir schonmal so nah waren, und genossen die kalte Morgenluft auf der einsamen Klippe, bevor wir unsere Zelte einpackten und uns auf den Rückweg machten.
Ein letzter philosophischer Gedanke?Es steht mir auf der ZungenspitzeDer höchste Wasserfall
Wir waren schon am frühen Nachmittag wieder unten, so gönnten wir uns noch überteuertes Mittagessen in Odda und fuhren auf der Nordroute wieder nach Oslo zurück – praktischerweise fand sich genau auf dieser Strecke nebenbei noch der höchste Wasserfall Norwegens (schmal, aber wirklich verdammt hoch, und man kann es kaum in ein Foto packen, erst Recht nicht, wenn man den daneben liegenden, nicht so hohen aber viel mächtigeren Wasserfall mit ins Bild bekommen möchte). Als es gerade dunkelte, bemerkten wir eine im Vikingerstil gebaute Holzkirche in einem der passierten Orte und unsere Skandinavistin rief aus das sei die 1000 Jahre alte Stavkirkene, wir müssten anhalten! Taten wir, war sie aber nicht, sondern die Achtzehnhundert-Nochwas “neue” Version, die natürlich trotzdem ihre Reize hatte. Da es schon spät war, wollten wir nicht nach der ursprünglichen suchen – taten wir auch nicht, sondern fuhren wiederum zufällig nur fast vorbei. Die noch nach Holz riechende, 1170-Kirche auf einem abgelegenen Hügel umringt von metallenen Kreuzfahrer-Gräbern mit schweren metallenen Kreuzen hatte schon einen eigenen Effekt, so in der Dämmerung, mitten im westnorwegischen Nirgendwo.

Das war also das Wochenende, ein wahrhaft fantastischer Trip. Aber das ist noch nicht mal alles, was seit dem letzten Blog passiert ist. Hier eine Kurzfassung des Rests:
– Ein Tageswanderausflug in die Østmark, leicht per Metro erreichbar und doch so abgelegen einsam schön als wäre es mitten in der Wildnis
– Ein zunehmend interessanter werdender Unikurs der mich wirklich nicht bereuen lässt hier zu sein
– Entspannen auf der Terrasse mit neukennengelernten Nachbarn und dem Columbiano
– Ein überraschender Besuch von meinen “Schwiegereltern” aus Hannover mit Hafenwanderung
Aussicht von meiner DachterasseSchwiegerelternbesuch
… und viele weitere Eindrücke, sei es von der Uni oder der Stadt, die mich hier wirklich in gewisser Weise ankommen lassen.

Danke an Jo für die Fotos!