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Schlechte Entscheidungen und Athen

Ist alleine reisen nicht langweilig? Wird man als Alleinreisender häufig gefragt. Meist antwortet man mit: Nein, man lernt ja unterwegs umso mehr Leute kennen.
Ja, aber.
Es ist Tag 4 nach Lesbos, nach One Happy Family und der Abreise von Micha. Umarmungsreich hatten wir uns von vielen Freund gewordenen Menschen verabschiedet und ich brach auf, um erst Athen und dann den Peloponnes zu erkunden. Ich hatte 3000 Jahre alte Paläste gesehen und war durch zerklüftete Landschaften mit traumhaftem Meerblick gefahren. Aber irgendetwas fehlte. Ich war leer und stumpf, und unendlich müde. Die zwei Tage in Athen verbrachte ich mehr mit geschlossenen Augen als mit offenen. Ich döste neben den Überresten des Tempels der Athena, Göttin der Weisheit, und schlief im Schatten des gut erhaltenen Tempel des Technikergottes Hephaistos. Abwesend lief ich durch die Gassen und Märkte, nur um früh uns Hostel zurückzukehren und mich ins Bett zu legen. Plötzlich war ich unter Menschen, die normal arbeiten gingen und in Cafés saßen, durch Shoppingstraßen flanierten und um Technik am Strassenstand feilschten. Die a Welt hatte jenseits der Leiden von Lesbos einfach weitergemacht, und da war ich nun, und wusste nicht, wohin mit mir. Vielleicht nicht gerade in eine große, volle Stadt, dachte ich. Vielleicht ein bißchen raus.
Und dann traf ich eine dumme Entscheidung: auf dem Penoppeles gibt es doch so viele außergewöhnliche Orte, und doch nur begrenzte Zeit. Ich mietete mir ein Auto.

Was man gewinnt, wenn man alleine mit dem Auto reist: völlige Unabhängigkeit, so weit man möchte zu fahren, die Orte anzusteuern, die man sehen möchte, unabhängig von Busrouten. Was man verliert: alles andere. Man nimmt sich zu viele Orte vor, die ja theoretisch alle erreichbar sind, und verbringt mehr Zeit im Auto als an den Orten selbst. Man nimmt vermeintlich kurze Routen und endet mit einem Smart auf einem geradeso für Geländewagen ausgelegten Bergpfad (okay, das war eigentlich ganz lustig, letztlich.) Man fährt über Schnellstraßen und sieht dabei noch weniger als eh schon. Und man lernt niemanden kennen.
So war ich zwar an der alten Ruinenstadt Mycenae, an einem verborgenen Pan-Tempel am Eingang einer abgelegenen Höhle, und sah im glasklaren Wasser einer Bucht die Fische unter meinen Füßen umherschwimmen (und hatte dabei zwei meiner Ziele noch ausgelassen), aber die Begeisterung des Entdeckens, die Freiheit im Kopf blieben aus.
Oh, welch Luxusprobleme, sagte ich mir, während ich versuchte, auf den zwei Sitzen des Mietwagen-smarts irgendwo auf einem Feldweg Schlaf zu finden. Welch Luxus, unzufrieden mit seinen Reiseplänen sein zu können. Aber wenn man sich in den Finger schneidet, hilft es auch nicht zu wissen, dass jemand anderes keine Arme mehr hat.
Also tat ich das einzig Richtige: ich packte meine Luxusprobleme und meine Schmutzwäsche aus dem Auto wieder in meinen kleinen Rucksack, brachte den Wagen früher zurück um noch den Morgenbus von Athen aus zu erwischen und fuhr an einen Ort, wo mich ein freundliches Hostel und Wanderwege durch die absonderlichste Natur erwartete. Nach Kampala. Nach Meteora.

2 Antworten auf „Schlechte Entscheidungen und Athen“

Nach deinen Erfahrungen vom letzten Jahr mit dem “pilgern” warst du ja öfter alleine – aber nach dem Erlebnis auf Lesbos hast du sicher mit mehr Menschenkontakten gerechnet. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass gerade nach einer solchen Helfer-Aktion mit den vielen Eindrücken der eine oder andere Austausch oder zumindest die Begegnung mit Menschen sinnvoll ist; alleine geht einem so vieles durch den Kopf; insbesondere das Ausmaß des Leides der anderen und, wie du schreibst unsere Luxus-Sorgen. Da wünsche ich dir für die weitere Reise bessere Entscheidungen, gute Begegnungen und nicht zu viel Kopfzerbrechen. Sei behütet auf deinen Wegen.

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