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Von einsamen Seen Und Millionärsinseln

Ich bin der einzige Mensch an diesem See. Kraniche und schwarzköpfige
Enten sind die lautesten Geràusche, ab und an ein größerer Raubvogel
am
Himmel, unzählige Insekten (ich zähle 25 stiche am rechten Ellbogen)
und das Kräuseln von Fischen im Johnston Lake, sonst: nichts. Mein Bad
im See, mit dem ich mich für den ungemütlchen, mückenbegleiteten
abendmarsch hierher belohne, schreckt ein paar Wasserläufer auf. Im
Nachhinein ärgere ich mich, nicht einen Tag länger dort geblieben zu
sein, wo ich es schon mal in diesen abgelegenen Ostteil des
Algonquinparks geschafft habe. Ich war von Ottawa ausgebrochen
undhatte nachmittags in Pembroke halt gemacht, einem von Wandmalereien
überfüllten Örtchen mit hübscher Strandpromenade. Da der Eintritt
in den Park Geld kostet und es schon spät war, entschied ich mich,
erst am nächsten morgen die fehlenden 30 km zurück zu legen – an
welchem mich leider der ärgste Regen erwartete. Zum Vormittag war es
ein wenig besser, so dass ich trotzdem zum Sand Lake Entrance des
Parks fuhr, einem beinah versteckten Eingang nach langer Dustroad, den
nur vergleichsweise wenige Touristen in den Park (der größer als eine
der kanadischen Provinzen ist) nehmen. Immer wieder blieb es für ein
Weilchen trocken, so dass ich erst den Canyontrail (mit grandioser
Aussicht auf selbigen, direkt an der Steilküste stehend in den
wolkenverhangenen Canyon blickend) und dann den
“Cheatertrail” (trotzdem noch über eine Stunde) zu den High Falls nahm
– wo mich eine Ansammlung von Wasserfällen und natürlicher Rutschen
zwischen durchschwimmbaren Fluss-Pools erwartete. Leider blieb das
Wetter aber bis zum frühen Abend wechselhaft und so wurde ich immer
wieder durch neue Regenfälle überrascht (bzw nich, denn inzwischen
erwartete ich sie ja). Abends ging ich dann zu eben jenem “Inside
campground”, und nur der lange, unebene und matschige Weg und die
vielen Moskitos erklärten, warum die anderen Gäste lieber am
etablierten (teuren) Campingplatz blieben.
Nur knapp über drei Stunden war diese Einsamkeit entfernt von einer
derart erschlossenen Region, dass nur vereinzelte (wortwörtliche)
Inseln der Masse von Privateigentum gegenüberstehen: den 1000 Islands,
jenen, die eigentlich fast 2000 sind, jenen, wo das Dressing herkommt,
jenen, die schon die ganze Tour über ein Punkt der Vorfreude gewesen
waren. Zuvor machte ich jedoch einen Abstecher ins “Upper Canada
Village”, einer Art Living Museum, in dem Häuser und Lebensweise von
1860 bewahrt werden, nachdem 1965 bei der Staudammflutung des St
Lawrence Rivers zahllose Häuser umgesiedelt werden mussten und dabei
ein paar alte Schätze den Weg in dieses neu geschaffen “Dorf” fanden.
Zahllose dem Zeitalter gemäß sich verhaltende und kleidende Leute
laufen neben den Besuchern umher, erklären auf Nachfrage alles, gehen
aber gleichzeitig einem “normalen” Leben von damals da – im Sägewerk
wird Das Holz für neue Hütten präpariert, in der Bäckerei das Brot
fürs Restaurant gebacken und die Näherin macht die Kleider für die
schauspielenden Dorfbewohner. Wenn man sich Zeit nimmt, kann man (wie
in meinem Fall) da schon einen halben Tag drin vebringen.
Von dort fuhr ich nach Brockville, wo es außer einem alten
Eisenbahntunnel um ehrlich zu sein nicht viel zu sehen gibt, den Abend
aber doch noch ganz angenehm machte. Am nächsten Tag erreichte ich
schließlich die Kernregion der 1000 Islands, und ließ es mir nicht
nehmen, mit einer Bootstour von Rockville durch die von
Millionärsvillen dominierten Inseln zu fahren – darunter Heart Island,
auf der der ehemalige (preußische) Waldorf Astoria Besitzer seiner
Frau ein Rheinland-style Schloss baute, das von Billardzimmer bis Pool
und Spielturm für die Kinder alles beherbergte, was ein Millionar von
damals eben so brauchte. Leider starb seine Frau kurz vor Vollendung
des Schlosses und er ließ das Prachtstück vor sich hin verrotten, bis
die Nationalparkverwatung Bridge Authority der internationalen Brücke
zwischen Kanada und Usa die Insel aufkaufte.
Schön und gut, aber den eigentlichen Flair der Insel bekam ich doch
erst mit, als ich gestern in Gananoque, einem Uferstädtchen mit
Farmers Market, kostenloser Musik im Park und Open Mic im Pub
(magischer Anziehungspunkt für mich) ein Kayak mietete und den ganzen
Tag über von einer Insel zur nächsten paddelte, um die Region so
kennenzulernen, wie es kein Ausblick von der internationalen Brücke es
ermöglichen kann. Und tatsächlich, wenn auch der Großteil wie gesagt
im Privatbesitz ist, so sah ich doch einige herrliche kleine und
Mittelkleine Inseln, betrat fünf im Nationalparksbesitz befindlche und
spazierte über die ruhigen Wanderwege, durchquerte ein welliges Stück
See bis Thwartway (kurz vor der Us-Grenze) und entdeckte einen
unbesuchten Strand, an dem ich es mir gemütlich machte, sah eine als
Open Air Kathedrale benutze Felsformation und ärgerte mich daruber,
dass man an keinem Punkt je ganz dem Motorgeräusch von Jachten und
Jetsky entfliehen konnte. Ich denke, näher konnte ich all dem, was
diese Region
ausmacht, nur schwer kommen (außer per Über-Nacht Ausleihe des
Kayaks und campen auf den Inseln… Nächstes Mal! 😉 )
Und so konnte ich heute zufrieden das letzte Stück mit diesem Auto bis
Kingston zurücklegen, wo mich tatsächlich eine bequeme Couch bei
einer freundlichen Couchsurferin erwartet – ein Luxus, der nach
mehreren Tagen im Auto schlafen umso wertvoller ist.

Eine Antwort auf „Von einsamen Seen Und Millionärsinseln“

Das mit den Mücken ist echt mehr als eine Plage- kann ich gut nachvollziehen, wie übelst das ist – mit “durchlöchertem” Arm oder Ellenbogen- hatte da ja auch vor kurzem mein eigenes Erlebnis mit dieser blöden Mücke, die mein Gesicht hat anschwellen lassen. Also doch irgend so ein Giftzeugs zum Einreiben mitnehmen… werd ich tun, wenn ich nächste Woche komme…
Gruß von Nanni

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