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Fast wahre Großstadtmärchen Texte

Die Tage der Tiefsee

Niemand hatte mich hierauf vorbereitet.
Niemand mich hineinbegleitet
Niemand hat davon gesprochen
Und doch ist es hereingebrochen.
Über mich.
Und ich?
Ich wusste doch nichts von dieser Tiefsee.
Diese krassen nassen Wellen, die ich jenseits meines Alltags nie seh
Das passiert ja nicht mir
Nicht jetzt und nicht hier
Ich wusste das alles doch nicht.
Verwundert nicht, wenn mans runter bricht:
Dass man es mir bis dato nicht mal angesehen hat
Als ich an jenem Sonntagnachmittag in meinem Stammcafé saß,
Da ahnte ich nichts. Wie auch.
Ich aß ne Kleinigkeit-und
Las einfach ne Zeitung
Und es war ne lange Leitung
Bis der Anruf zu mir kam
Die Nachricht klar benannt
Du warst nicht mehr.

Es flackerten die Lichter, ich muss mich halten,
irgendwo
Mein Gleichgewicht:
nirgendwo
Ich hörte dumpfes Brodeln, ein gurgelndes Drohen
Ich wär so gern geflohen
Doch meine Beine war’n erstarrt
Als plötzlich das Schaufensterglas zerbarst.
Die Wasserfluten dieser Tiefsee brachen über mich zusammen
Das Café versank im Strudel in dem Kaffeetassen schwammen
Es war ein lärmendes Rauschen
Alle Stühle mitgerissen
Es war schwarzes, tiefes Wasser ohne menschliches Gewissen
Es war’n tausend Kilo Druck. Mörderisch und kalt.
Etwas schlug mir an den Kopf, verlor den körperlichen Halt
Die salztriefende Tiefsee hinterlässt mir eine krustige Zunge
Mein Blick so erstarrt
Keine Luft in der Lunge
Seit heute warst du fort. Und ich tauchte hinab
Ich konnte nichts mehr seh’n, hab es kaum mehr geschafft.

Lots mich durch die Tiefsee
Bitte nimm mich an die Hand
Ich find allein den Weg nicht
und ich komm nicht mehr an Land
Und manchmal braucht es nur ein Wort
Und manchmal tausend Stunden
Bitte lass mich nicht zurück
Ich hab mich selbst noch nicht gefunden

Die Tage des Sturms


Als ich erwachte aus dem Taumel, war der Raum um mich noch nass
Ein Gurgeln aus dem Abfluss, meine Hände waren blass
Doch ich war wach.
Klamme Kleidung am Körper, knackende Knochen
Bis ich wieder mit wem reden konnte, dauert es Wochen
Ich sah nur noch durch den blauen Dunst
Und als ich heimkam, waren Algen überall
Brackpfützen im Treppenhaus, ein kleiner Wasserfall
Es tropfte, schlammig, tote und japsende Fische
Meine Zehen zittern zaghaft von der eiskalten Frische
Deine Sintflut hat mein Leben jetzt verändert.
Nasser Sand auf dem Parkett, und die Tapete nass-gerändert
Und es gab so viel aufzuräumen.
Und so viel zu kümmern.
Aber alles war so anders
Meine Welt lag doch in Trümmern
Und ich lebte unter Wasser, und ich fühlte mich allein
Die Wochen ging’n vorbei ich konnt der Welt nicht mehr verzeihn
Ich atmete und schwamm
Man tut halt, was man eben kann
Doch eines Tages: Konnte ich nicht mehr.

Ich stand an einem Bahngleis, irgendwohin
Für irgendeinen Scheiß, als hätt es irgendein Sinn
Alles war noch immer so nass; von den Tagen der Tiefsee
Geflutete Stufen so krass, das Wasser am Kragen und ich rief (eh)
Im Hass, gegen all diese Algen und das Salz und das Meer
Gott wie ich es hasste!, ich war kalt und so leer
Und ich spürte jetzt den Sturm in meinen Händen
Er toste durch die Haare fremder Menschen, von dem Gleis zu den Wänden
Zu den Enden dieser Stadt, die einfach weiterlebt
Weitergeht,
Als wärst du noch hier.

Ein Orkan meiner Wut wehte Dreck über die Gleise
Riss die Bänke vom Beton in wahrhaft schrecklicher Weise
Griff der Tornado in die Schienen, bis Metall zum Kreischen brachte
Warf die Züge in die Wolkenkratzer, dass es weithin krachte
Es war Sturm
Da sollte nichts mehr sein: Kein Wasser, kein Fisch, kein Gefühl
Nur mein Hass, weil ich nichts mehr fühl!
Und ich hoffte dieser Sturm würd alles fortwehen
Denn ich wusste, ohne dich will ich nicht weitergehen.



Lots mich durch den Sturm
Bitte nimm mich an die Hand
Ich find allein den Weg nicht 
und ich weiß nicht mehr wo lang
Und manchmal braucht es einen Notruf
Und manchmal tausend Stunden
Bitte lass mich nicht allein
Ich hab mich selbst noch nicht gefunden

Die Tage der Wüste

Als ich nach den Tagen des Sturms wieder heimkam, irgendwann,
… Kam ich nirgends an
Wüstensand wehte schwer, legt sich mehr über Beton
Staubig und leer, einsam bis zum Horizont
Nur mein Bett stand gemacht in den gräulichen Dünen
Und so deckte ich mich zu und ich träume vom Grünen
Aber der Himmel war leer
Und die Wüste war leer
Ich vermiss nicht das Meer
Doch ich will das nicht mehr
Aber wenn dein Bett einmal im Sand steht
Ist doch klar, dass man kein Land sieht.
Und so begrub die Wanderdüne deiner Leere meine Welt
Bis ich irgendwann nur dachte, dass mich nichts mehr auf ihr hält
Ich lag in meinem trockenen Bett, die Sonne dörrt meine Haut
Für diese Tage der Wüste, hat man nie Wörter gebraucht
Denn ich sprach nicht
Empfand nichts
Sah nichts
Im Sand-Licht
Die Stadt war verschwunden, seit du einfach so gingst
Und ich wusste nicht was mich noch von hier fortbringt.

Lots mich aus der Wüste
Bitte nimm mich an die Hand
Ich find allein den Weg nicht
Zwischen all dem leeren Sand
Und manchmal braucht es nur ein Wort
Und manchmal tausend Stunden
Bitte lass mich nicht allein
Ich hab mich selbst noch nicht gefunden

Die Tage der Bäume

Aber eines Tages werde ich einen Samen setzen.
Dort, neben meinem Bett im Sand.
Die Erinnerung an dich, hält mir dabei die Hand
Während der Baum langsam wächst. In der wüstenklaren Nacht.
Und es wird furchtbar lange dauern, bis er Blütenfarben hat
Aber irgendwann steht da ein Baum.
Irgendwann schafft er mir Raum.
Und irgendwann werde ich ohne dich die Welt wieder erbau’n
Und das Café von jenem Sonntagnachmittag wird nicht das Gleiche sein.
Mein Zimmer nebenan: Nein, es wird nicht das Gleiche sein.
Aber irgendwann wird hier ein Wald stehen.
Um den ersten einsamen Sproß
Kein unberührter Urwald aus den Tiefseetagenträumen:
Nein. Ein nachgepflanzter, junger Forst, mit grünen, zarten Bäumen
Zwischen den Häusern meiner Stadt
Die sich erhebt, von ihren Ranken umringt
Und in den Zweigen ihrer Kronen hört man sanft nun den Wind
Und in dem Grund eine Wurzel die am Rand der Tiefsee fischt
Und der Beton dieser Straßen ist aus Wüstensand gemischt.
Und du bist immer da.
Und du bist immernoch fort.
Hab dein Foto in der Tasche an nem herzensnahen Ort
Und ich halt mich an dem Baum fest, der die Welt mir verbessert

Und in mein’m Auge eine Träne
Die ihn wässert.