Jahrhundertelang mussten die Bewohner hinter Englands Steilküsten sich vor den französischen Feinden hinter dem Steilküsten-Äquivalent am anderen Ende des Kanals beschützen. In Abständen von nur ein paar Dutzend Kilometern reihen sich an der Kalkküste Südenglands mehrere Festungen, die im Laufe der Jahrhunderte immer wieder umfunktioniert und neugenutzt wurden. Wie es die Freizeiten zwischen den Kursen ergaben, besuchten wir sowohl die Küste als auch ein paar der Burgen die ehrlich gesagt ohne die Audioguides mit Überlänge spannender sind. Das Castle of Dean steht keine zweihundert Meter vom Steinstrand entfernt, und ist deshalb so flach gebaut, wie es damals nur möglich war. Ein wenig in der Erde versenkt, mit einem Schutzgraben, und in runde, rosenförmige Mauern gehüllt. Ein gutes Stück weiter westlich wurde ein weiteres Schloss mit der Zeit zu einem typisch britischen Landhaus eines lokalen Fürsten umfunktioniert. Läuft man durch das Innere, wähnt man sich zwischen Himmelbetten und holzvertäfelten Dinnersälen, bis man das Gebäude verlässt, und von dem der Queen gewidmeten Garten auf die alte Festung blickt. Ganz um die Ecke findet sich das kleine, hübsche Städtchen Sandwich, wo die Bürgersteige schmaler als ein paar Füße sind, und man nach einer Stunde Suche ein 5£-teures Sandwich bekommt, das aus ungetoastetem Toast und geraspeltem Cheddarkäse besteht. (Das Sandwich wurde übrigens tatsächlich dort erfunden, von Lord Sandwich, der sein Brot immer auf diese Weise orderte.) Zuletzt dann die Burg von Dover, einem herrlichen großen Bau, der über eine hässliche Hafenstadt blickt. Von der Römerzeit bis zum zweiten Weltkrieg wurde sie immer wieder belebt und genutzt, was sich in der gesamten Architektur widerspiegelt. Der römische Leuchtturm, das mittelalterliche Hauptschloss, die Renaissance- und viktorianischen “Neu”-bauten, die wartime-tunnels, in denen tausende von britischen und französischen Soldaten vor den deutschen Angriffen Unterschlupf nahmen.
Direkt daneben finden sich die White Cliffs von Dover, gigantische, weiße Kalkklippen, die teilweise bis zu 100 Meter zum Meer abfallen. In einem Natuschutzgebiet drumherum schlenderten wir die Küste entlang, nur wenige Fuß vom Abgrund, der aufgrund des porösen und untertunnelten Gesteins ständig in Abbruchgefahr schwebt. Das Bild mit mir am Abgrund ist allerdings bei Broadstairs entstanden, wo sich die Klippen in weniger weißer Form fortsetzen, mit ein paar weniger Tunneln und ein bisschen festerem Gestein. Dort verbrachte ich einen sonnigen Sonntag mit Meerspaziergang, Klippenfotos und Dichtung am/übers Meer. Was will man mehr.
Und damit gingen meine drei Wochen in England zuende, gekrönt von drei Erkenntnissen: England ist viel Regen und durchschnittliches Essen… aber dafür auch erstaunlich viel schönes Grün, weiße Klippen, blaues Meer. Man soll ja schließlich immer das Positive sehen.
Schlagwort: England
Natürlich blieb unser Wochenende nicht vom großen “”R”” verschont. (Siehe letzter Beitrag). Am lang geplanten Trip am Samstag kam es gar so weit, dass wir kurzfristig unsere Badesachen anzogen und unter argwöhnischen Blicken durch die Wassermassen tauchten.
Doch ich greife vor. Die Woche war nämlich tatsächlich eigentlich recht regenfrei, und zwischen bzw. nach den Vormittags- und Nachmittags-Sprachkursen konnten wir uns die Sonne in für England ungeahnten Ausmaßen auf den Kopf prallen lassen. Zwischen den allgegenwärtigen Seemöwen gingen wir an den Strand unseres Städtchens Broadstairs und konnten sogar im (natürlich immer noch kalten) Meer schwimmen. Aber neben dem Auskurieren meiner Erkältung und Sonnen am Strand arbeitete ich natürlich auch an einer Präsentation für meinen Kurs, und nahm nebenher noch ein wenig Kultur mit erwähnenswert vor allem Shakespeares “As you like it”, hervorragend gespielt und musikalisch untermalt von den Schauspielern des berühmten Globe Theaters, ganz in unserer Nähe, dem Küstenort Margate.
Auch der Freitag blieb noch so schön, dass wir uns ernstzunehmende Hoffnungen auf das Wochenende machen konnten, während wir den Nachmittag in Canterbury verbrachten, einer hübschen kleinen von Kanälen durchzogenen Stadt mit gigantischer Kathedrale (der einzige Grund, warum es sich tatsächlich “City” und nicht nur “Town” nennen darf). Ich spare die Worte und verweise auf Fotos.
Das Wochenende war dann etwas aufwendiger geplant, und mit Vorfreude seit einigen Tagen organisiert. Zu fünft mieteten wir uns einen Ford Fiesta (ich musste ja nicht hinten sitzen 😉 ) und fuhren nach Stonehenge und Bath. Die erste schwierige Aufgabe für mich als Fahrer war denn, mich mit dem linksspurigen Verkehrs anzufreunden was leichter ging als gedacht, bis auf das Einschätzen des linken Abstands zum Bordstein, und das Gangwechseln: den das macht man natürlich dann auch mit der linken Hand (mit der man aber trotzdem auch noch den Blinker bedient), während die rechte Hand sich auf dem Lenkrad langweilt. Es brauchte einige Gewöhnung, aber auf der Rückfahrt musste ich schon kaum mehr darüber nachdenken, wohin ich jetzt beim Abbiegen gucken muss. Wir fuhren größtenteils über Landstraßen, um ein wenig von der Umgebung zu sehen. Leider begann es circa eine Stunde vor unserer Ankunft in Stonehenge zu regnen. In unserer kontinentaleuropäischen Einfalt hatten wir natürlich weder viele Wechselklamotten noch Regenschirme mit, waren aber trotzdem entschlossen, nach Stonehenge zu fahren, einem doch angeblich so magischen Ort, von dem man schon so viel hörte. Bei dem “”R”” wäre eine solche Stimmung natürlich ohnehin schwerer gewerden, aber auch so fehlte das Gefühl, vor etwas “Besonderem” zu stehen abgesehen natürlich von der Bewunderung der exakten Bemessung und des steinhauerischen Talentes der Schöpfer des Steinkreises (den man leider auch selbst nicht mehr betreten darf, sondern nur darum herum gehen kann). So zog unsere etwas ungewöhnliche Garderobe im Wasser-reichen Stonehenge auch nur deshalb die Bitte um wiederangezogene Mäntel nach sich, da ja Kinder da seien. (Was machen die denn dann am Strand?)
Dem uns dies ausrichtenden Wachmann war jedoch anzusehen dass er sich über die ungewohnte Abwechslung in seinem Tag freute.
Nach unserem Badeausflug fuhren wir also weiter, passenderweise zu einer Stadt namens “Bath”, benannt nach der dort unter römischer Herrschaft gebauten Badeanstalt. Der römische Einfluss dort war überhaupt in etwa so allgegenwärtig wie der Regen. Zwar hatten wir phasenweise etwas Glück, um auch ein wenig durch die Stadt laufen zu können, den fließenden Übergang zwischen römischer und typisch-englischer Architektur zu bemerken und am Fluss entlangzuschlendern. Meine Schuhe waren jedoch trotzdem letztlich so durchnässt, dass sie auch heute noch nach meiner Ankunft in Broadstairs ziemlich klamm sind.
Auf dem Rückweg konnten wir in den Nicht-Regenphasen jedoch sogar noch zwei kurze Stopps an unerwarteten Sehenswürdigkeiten einlegen: einem der “White horses”, die in England verstreut in den übergrünen Wiesen liegen, und einer 1960 gebauten Kathedrale, die von außen wie ein etwas vergrößertes Backsteinhochhaus aussah und von innen wie eine neugothische Kathedrale (nur viel luftiger). Das alles, kombiniert mit guten Pubdiskussionen am letzten Abend, kompensierten uns dann doch ausreichend für den vielen “”R”” und das etwas enttäuschende Stonehenge.
Bahn und Bus nach Broadstairs
Das Terminal in Brüssel ist gestaltet wie ein Flughafen Sicherheitscheck, Passkontrolle, Boarding-Warteraum. Nach einiger Wartezeit wird dann endlich das “Gate” geöffnet, um den Weg freizugeben, zu einem so normalen Zug auf einem so normalen Bahngleis, dass der letzte IC in Oberfranken dagegen noch daherkommt wie ein Raumschiff. Nun gut. Der internationale Regionalexpress macht sich auf und ich fahre durch belgische und französische Landschaft zum großen Tunnel, der so unspektakulär daher kommt wie jeder Moseltaltunnel nur ein wenig länger geht. Eine halbe Stunde später sehe ich auf der britischen Seite des Kanals wieder Tageslicht, und werde von meiner französischen Sitznachbarin darauf hingewiesen, dass wir mitnichten schon in 10 Minuten in London sind, weil wir hier eine Stunde Zeitverschiebung haben. Ihr seht, ich bin gut vorbereitet: keinen Reiseführer gelesen, keinen Steckdosenadapter dabei, aber immerhin in Brüssel schon ein paar Euros in Pfund umgetauscht.
In London angekommen kämpfe ich mich durch den Nahverkehr aus Tube und Doppeldeckerbussen zu einer Kommilitonin Giovannas im Süden der Stadt, wo ich für diese Nacht unterkommen durfte. Der Plan, abends noch in Tanzveranstaltungen Londons Nacht zu sehen, geht irgendwo zwischen interessanten Gesprächen und (für England) erstaunlich gutem Bier unter, während die 7 (!) Katzen des im Industriezeitalterstil gehaltenen Hauses an den Fenstern miauen. Samstag vormittag holten wir zumindest ein wenig nach, gingen in den Greenwichpark und lächelten über die Touristen am Meridian, die hier “one foot in the west and one in the east” stehen. Die Aussicht auf London ist unterdes herrlich, viktorianischer Stil verbindet sich mit modernen Hochhäusern. Natürlich fängt es ein wenig zu regnen an, wir sind ja in England. Es fängt immer irgendwann zu regnen an. Wir gehen zu einer Markthalle, wo gleich zu Beginn ein brasilianischer Churro-Bäcker unsere Aufmerksamkeit fängt. Nachdem ich Constanze genug davon vorgeschwärmt habe, plaudere ich ein wenig mit dem Brasilianer, der einen iberischen Akzent im Spanischen hat, und freue mich dann wie ein Kind über die mit Dulce de Leche gefüllten Churros. Der Unterschied zu Lateinamerikanischen Märkten: als ich im Vorbeigehen aus Versehen an die Schulter eines Briten stoße, entschuldigt ER sich dafür.
Mit dem Bus (deutlich günstiger als die Bahn) fahre ich Mittags von London nach Broadstairs, einer 25.000-Einwohnerstadt im Südosten Kents, also gleichzeitig so weit südöstlich, wie es in Englang eigentlich nur geht. Als ich ankomme, regnet es. (Da das wohl noch häufiger vorkommen wird in den kommenden Einträgen, werde ich ab jetzt “es regnet” mit “”R”” abkürzen.) Ich finde die Wohnung meiner Hostfamily, wo ich die nächsten drei Wochen wohnen werde meine Hostmum Diana (kann ich mir einfach merken, meine Hostmum in Michigan damals heißt auch Diana) ist noch nicht da, der andere International English Student in ihrem Haus, ein Franzose mit entsprechendem Akzent, öffnet mir die Türe. Ich wohne nun in einem hübschen Zimmer mit Gartenblick, höre bei geöffnetem Fenster die Möwen. Diana (die uns sämtlich meist mit “Darling” und “Sweetheart” anredet) und ihr Sohn Neall sind furchtbar nett, beim Abendessen schwingen die Unterhaltungen von Rumblödeln zu Unterhaltungen über die Weltwirtschaft. Dabei ist interessanterweise der gerade 15-jährige Sohn am aktivsten. Ich schenke ihm mein kürzlich ausgelesenes Buch “23 Things they didnt tell you about capitalism”. Auf der Fensterbank stehen trotzdem Lego-Star Wars-Figuren von ihm.
Heute dann mein erster Tag im Hilderstone College, wo ich einen akademischen Englischkurs belege. Leider bin ich erkältet (im Juli!) und habe entsprechend schlecht geschlafen, meine Konversationsfreudigkeit muss erst durch Kaffee gepimpt werden. Nach allen nötigen Einführungen landen wir in einer netten Arbeitsgruppe und fahren nachmittags noch mit einer kleinen Bustour in die umlegenden Orte. Ramsgate, eine schöne Hafenstadt, wird uns nur für kurze Zeit überlassen (immerhin sehen College-Kollegin Maria und ich sowohl Innenstadt als auch Strand, durch zufälliges abbiegen auf unserer kurzen Streunerei), am Shopping-Centre wird fast doppelt so lange Pause eingelegt. Nicht wenige von uns Studienstiftlern finden das ein wenig schade drei zu spät zum Bus zurückkommenden Mädchen haben jedoch H&M-Tüten in der Hand. Manche Leute kann man so einfach glücklich machen. Mich auch, aber eher hiermit: