Eigentlich war es ein ganz schöner, einfacher Wanderrundweg. Nachdem wir unserer Nase nach von der Smedmyrkoia-Hütte weiter bergan gelaufen waren und auf gutdünken abbogen, wo es schön erschien, erreichten wir eine Stelle, die laut Beschilderung mit ziemlicher Sicherheit in Kürze zur Hütte führte. Dann kamen wir jedoch an einen Bach, der dank dem Regen der letzten Tage nicht mehr so leicht zu überqueren war wie wohl zu Zeiten der Wegauszeichnung, aber das schreckte uns natürlich nicht, und so hüpften Chili und ich an einer etwas weniger tiefen Stelle über Steine und hinzugeworfenes Astwerk auf die andere Seite. Froh über die gelungene Überquerung gingen wir weiter und erreichten keine fünf Minuten später einen reißenden Fluss, auf dessen anderer Seite die blauen Wegmarkierungen unbekümmert weiterfuhren. Direkt über einem kleinen, aber schnellen Wasserfall lag ein alter, rutschiger und in der Mitte halb gebrochener Stamm, der wohl einst als Brücke gedient haben musste, nun aber alles andere als geeignet dafür war. Um die Geschichte kurz zu machen: Chili entdeckte einen bereits gefällten Stamm am nahen Hang, den wir kurzerhand zum Flussufer hinunterschleiften und über den Wasserfall wuchteten. Eine einfache Überquerung hätte natürlich anders ausgesehen (wir saßen auf dem neuen Stamm, die Füße auf dem alten, und robbten langsam hinüber), aber hey: wir hatten eine Brücke gebaut!
Aber das war natürlich nur die aufregendste der vielen Dinge, die Chili und ich in der Woche ihres Besuches in Oslo erlebten. Wir hatten laufenderweise vermutlich jedes Viertel Oslos durchquert und uns am selten sonnigen Montag zu einer kleinen Wanderung in der Østmark aufgemacht. Laut der Karte der Wandervereinigung sollte dort eine Hütte zum Übernachten etwa 4,5 Stunden von der Metrostation liegen, also buchten wir selbige, packten unsere Rucksäcke und wanderten durch die wunderschöne Natur und furchtbar matschige, steile Pfade. Doch der Weg zog sich, und als wir den ersten einsamen Wanderer fragten, wie weit es noch bis Vangen sei (nur ein Zwischenstopp!), meinte er “Ui, das ist weit, so 2-3 Stunden sicher noch”. Da waren wir allerdings auch schon 2-3 Stunden unterwegs. Die Sonne sank immer tiefer, die Wege wurden immer matschiger, und es wurde immer offensichtlicher, dass die Karte ein kleines bisschen außer Maßstab war. (Für die ersten 5 Kilometer waren 2 Stunden angesetzt was wir auch ungefähr schafften für die folgenden 10 km eine Stunde…) als der Sonnenuntergang sehr absehbar wurde (der, von einer Anhöhe ausgesehen, auch sehr entschädigend schön war), entschlossen wir uns, der nächsten Abbiegung nach Sandbakken zu folgen, wo wir hofften, irgendein lebendes Wesen und eine Möglichkeit zur Übernachtung zu finden. Herrje waren wir glücklich, das elektrische Licht des großen Hauses zwischen den Bäumen hindurchblitzen sahen. Es war aber leider nur die norwegische Angewohnheit, auch bei Abwesenheit einfach alle Lichter brennen zu lassen, und so mussten wir letztlich noch eine halbe Stunde dranhängen, um zum nächsten Parkplatz am westlichen Ende der Østmark zu gelangen (immerhin auf leichterer Straße), von wo uns zum Glück ein später Jogger mit dem Auto zurück nach Oslo heimnahm.
Nach dieser Enttäuschung nahmen wir uns vor, es am Donnerstag noch einmal mit einer anderen Cabin zu versuchen, und so landeten wir Dank Metro, Bus und einer einstündigen Wanderung (die sehr viel leichter war) bei der hübschen Smedmyrkoia-Hütte in der Nordmark. Hatten wir sie die erste Nacht zwar für uns allein, bekamen wir doch Nachmittags Besuch von vier Wanderern mit Hund, die sich ihr Abendessen in der Hütte kochten, und am Abend versorgten wir eine Gruppe verrückter Outdoor-Fetischisten, die in Hüttennähe im Regen zelteten (und Feuer machten!), mit Heißgetränken und einer Ofengeheizten Hütte. Als wir am zweiten Tag von unserer Wanderung und Brückenbauaktion zurückkamen empfing uns ein prasselnder Ofen und vier Deutsche, die für die Nacht die Hütte mit uns teilten. Trotz Abgeschiedenheit konnte von Einsamkeit also selbst im verregneten Oktober keine Rede sein!
Und jetzt noch ein paar hübsche Bilder von dem Spaß:
Schlagwort: norwegen
Jetzt endlich gute Lofotenbilder
Ich habe es versprochen, hier kommen sie. Dank Erdwinds Fähigkeiten und Kamera hier nun ein paar wunderschöne Blicke auf das Herbstparadies der Lofoten, mehr findet ihr auf seinem Blog: Pensamientofluvial.tumblr.com.
Und mehr von mir und den letzten zwei Wochen gibt es in Kürze auch wieder!
Jeder harte Weg führt an einen schönen Ort
Die Farne zu unseren Füßen sind rot, das Birkenlaub orange, saftig grünes Moos am Rande des eisklaren Bergbaches, rauer Fels zwischen dem matschigen Pfad auf dem wir laufen. Dann lassen wir den Fabelwald hinter uns und blicken, den steiler werdenden Fels hinaufsteigend, auf den langgezogenen Fjord hinab, in dem sich die 1000 orange-rot-grün-gelb-braun-weiß Farben des gegenüberliegenden Hanges spiegeln. Wir, Erdwind und ich, rufen alle zehn Minuten aus, wie schön es hier ist (häufigster Satz auf diesem Trip: “that’s beautiful man!”), lachen ohne Ankündigung laut auf, fallen uns in die Arme und kriegen das Grinsen nicht aus dem Gesicht. Wir sind auf den Inseln der Farben mitten im arktischen Zirkel Nordnorwegens, einem meiner neuen Top-3-der-Welt Orte auf meiner Liste, den Lofoten.
Am vorletzten Freitag abend hatten wir die Bahn von Oslo nach Trondheim genommen, die alle gefühlen hundert Meter bei jedem Dorf hielt und entsprechend die ganze Nacht durch unterwegs war, der Schlaf war begrenzt, unsere Vorfreude trotzdem groß. (So groß, dass der Kolumbianer Erdwind dafür sorgte, dass wir ganze 2 Stunden zu früh am Bahnhof waren.) Wir erreichten die Stadt im Morgengrauen, als noch kein Café offen war und Wind und Regen durch die Straßen peitschten. Oh, was fluchten wir. Unsere Couchsurfer-Gastgeberin, die (fast) grenzenlose Ärztin und wahrscheinlich einige im Wohnzimmer tanzende Norwegerin, hatte erst ab 12 Uhr Zeit, und so trieben wir uns durch die Gassen, Rucksäcke im Schließfach, und freuten uns als die Sonne hervorkam. Nachdem wir mit zunehmender Begeisterung das alte Holzhausviertel Bakklandet entdeckt, Neustudenten beim Badewannen-Floßbau zugeguckt und in einer für die Stadtgröße überproportionalen Kathedrale (mit Orgel, die größer als manche Kapelle ist) Zuflucht vorm Regen gesucht hatten, trafen wir unsere Ärztin-Gastgeberin im Hafenviertel und entschlossen, beim noch (halb-)guten Wetter weiter draußen zu bleiben (mit kurzer Unterbrechung für ein Braunkäsesandwich und Schokolade): wir bestiegen die Festung und stolperten durch das Graffiti-und-Gemeinschaftsgärten-Viertel Svartlamon. In ihrer gemütlichen Wohnung kochten wir das norwegische Nationalgericht Fårikål (Lamm-und-Kohl, der Name beschreibt’s treffend), und zeigten uns gegenseitig vorzeigbare Musik. Später wollten wir dann mit Freunden von ihr weggehen (die aber dann doch verhindert waren). Irgendwann, als wir die Hälfte aller existierenden Musikgenres durch hatten, kam ich von der Toilette wieder und Erdwind und die tanzende Norwegerin tanzten im Wohnzimmer Salsa. Das änderte sich den Rest der Nacht auch nur bezüglich der Musikreichtung und wir tanzten zu der wahrscheinlich merkwürdig-besten Musikmischung, die je an einem Abend gespielt wurde. Am Sonntag blieben wir dem Thema treu und besuchten das Rockheim (Pop/Rock-Museum), wo wir viel gute Musik aus Norwegen entdeckten und den ganzen verregneten Vormittag mit Schallplatten und digitalen Interfaces und Beats und Gesang und Gitarren verbrachten. Als wir aus den Tiefen der Musik ausgespuckt wurden, schien die Sonne und wir wanderten zum Strand an einem Gigaphon vorbei und mit Fjordblick, dann musste die tanzende Ärztin etwas erledigen während wir in “Annas Café” Calzone schlemmten, Sonnenuntergang sahen (nicht mehr im Café) und Kleinstadtluft genossen, um sie schließlich in der verwinkelten Buchbar wiederzutreffen. Der Abend klang aus mit meinen berühmten Schupfnudeln, Rotwein und tiefgründigen Gesprächen (werden eben langsam alt).
Am Montag sehr früh ging es dann mit der 10-Stunden-Bahn nach Bodø, wo wir dank kostenlosem Kaffee in der 90-Kronen-Luxusklasse, wunderbarer Aussicht bei herrlichstem Wetter und mitgebrachter Laptops unsere Uni-Essays schrieben, und eine Stunde vor Ankunft erschöpft abschickten.
In Bodø, erklärte uns die in Halle studierende, Erasmus machende Couchsurfing-Gastgeberin und professionelle Dumpster Diverin, gebe es nicht viel zu sehen außer der Terrasse des Hafenhotels mit famoser Aussicht und ein haushohes Graffiti. Damit hatte sie, wie wir feststellten, leider Recht. Dafür machten wir Tortillas selber (ging wegen meiner Plastik-Challenge auch gar nicht anders) und verbrachten den Rest des Abends (abgesehen von einem Kurzausflug zu prallgefüllten Supermarkt-Abfallcontainern voller frischer Äpfel, Joghurt und zig Gemüse) damit, festzustellen, dass JEDE Fähre von Bodø gen Lofoten entweder ankommt, wenn es noch dunkel ist (3:00) oder schon (21:00). Nach tausend erwägten Möglichkeiten (Fähren, Rent-a-Wrack, Einwegmiete…) endeten wir mit einer 5-Tages-Miete, was wir irgendwie auch nicht bereuten. Und so starteten Erdwin, die entscheidungsschwache hallische Containerin und ich am Dienstag zu einem grandiosen Roadtrip auf, durch bergige Festland-Landschaft, einsame Straßen und stets begleitet von der Navi-Ansage “You are over the Speedlimit”, Wasserfälle. Sonnenschein. Pinkelpause, Seen, Vielfarbenberghänge und natürlich Fjorde und eine 5-Minuten-vor Abfahrt Ankunft an der nördlichen Fähre Bognes nach Lødingen. Endlich auf der Inselgruppe angekommen, fehlte nur noch eine Stunde zur Ingemannhytta, wo wir die Nacht verbringen wollten. Doch der schmaler werdende Weg hinter dem uns unverständlichen, da norwegischen Schild wurde immer unzugänglicher und endete vor einer Schranke. Die Anwohnerin, die plötzlich samt Auto hinter uns auftauchte, (und offenbar nen Schlüssel hatte, da sie später in selbige Richtung weiterfuhr), meinte ja, der Weg geht da zwar lang, aber nööö, da dürfen nur Anwohner lang. Ihr müsst einmal drumrum fahren und die Straße von der anderen Seite nehmen. Machte ja nur 40 Minuten aus. Als wir endlich den Beginn des Wanderweges erreichten, war es 18:30 und die Dämmerung nahte. Wir waren kurz davor, im Auto zu schlafen, aber nein. Rucksäcke im Eiltempo packen und den Berg hinauf, und die eigentlich nur 40 Minuten Fußweg verschlangen sich in Matsch und Dunkelheit. Ich war wohl nie zuvor so froh, eine Holzhütte durch die Dunkelheit blinzeln zu sehen. Die Hütte war klein (4 Betten) und unverschlossen, Feuerholz lag bereit und ein Gasherd erlaubte uns die verdiente Reispfanne, und schon bald saßen wir mit Ingwer-Zitronen-Tee und vollen Bäuchen vor brutzelndem Kaminfeuer, draußen die stürmische Finsternis und spielten Karten.
Und dann kam die Magie.
Als wir gegen acht kurz an die frische Luft gingen, zog Weiß über uns am Himmel auf. “Das sind Wolken”, meinte die Diverin, aber sie irrte. In den nächsten vier Stunden legte das Universum ein sich drehendes, bewegendes und wanderndes Spektakel über den Himmel, unter der sternenklaren Nacht zogen sich weiße Torbögen über uns auf, Strudel, flackernde Streifen, Fenster in das Universum und hinabfallende Himmel, wir lachten und weinten ein bisschen vor Freude und umarmten uns, Erdwind machte Millionen Fotos (die lade ich später noch hoch) die die Lichter in Farben erscheinen lassen, die unser Auge nicht zu sehen vermögen (dafür sehen sie die Schönheit der Bewegung, die sich nie festhalten lässt), und bedankte sich ebenso oft, dass ich ihn hierzu überredet hatte, und wir fühlten uns ganz klein und zugleich on top of the world, denn die Lofoten sind ja schließlich in der Arktis, und vermutlich werden wir diese Nacht der Nordlichter nie vergessen.
Am Mittwoch wanderten wir den plötzlich so einfachen Pfad zurück, brachten die hallische Mülltaucherin zu einem Anhalter-Stopp und fuhren nach Südwesten gen Svolvær, von wo wir uns zur nächsten Hütte, der Nøkmannsættra aufmachten. Aus den angeblichen 2 Stunden wurden drei, dank steilem Fels und vielen Fotoplätzen, wackeligen Hängebrücken, erwähnten Fabelwäldern und schmalen Holzstegen über Sumpfböden, wachsrote Gräser und zu steile, mit den roten Wanderweg-Punkten versehene Felsabschnitte, bis wir schließlich wieder die tiefstehende Sonne westlich der Gipfel sahen, und nur wenig später mit Freudenschreien die Hütte, an einem wunderschönen Bergsee, mit Wasserfall und Sonnenuntergang, erreichten. Sie war etwas größer als die Ingemannhytta, und ein einsamer deutscher Wanderer mit Trockenkost-Abendbrot war schon da, der die (in dieser Nacht zugegebenerweise schwachen) Nordlichter sehr unspektakulär fand. Wir richteten uns ein, wuschen uns mit eisigem Bergseewasser und kochten Cashew-Pesto-Pasta im Licht der Kerzen, und Wasser über dem Holzkamin.
Hier blieben wir eine zweite Nacht, weil das Wetter am Tag verregnet und stürmisch war, und wir nur am Vormittag ein Zeitfenster (unterbrochen von einem Hagelschauer mit Schutz an der Felswand) nutzten, um noch ein Stück höher auf einen der umgebenen Gipfel zu klettern, von wo aus wir bis zum Meer und das daran liegende Svolvær blickten. Abends klarte es ein wenig auf, und tatsächlich hatten wir das Glück, auf unserer Hüttenterrasse liegend ein kleineres, aber trotzdem famoses Nordlichterspektakel zu bewundern.
Jener Tag sollte jedoch Schlechtwettermäßig das Schlimmste bleiben, und wir kamen heil nach Svolvær zurück, von wo aus wir die pittoreske Inselstraße im ozeanischeren Süden samt Stränden und geschwungenen Brücken hinabfuhren. Unsere letzte DNT-Hütte (die norwegische Trekkinorganisation) dieser Reise sollte die Selfjordhytta sein, die wohl am einfachsten erreichbare Hütte der Organisation. Der 5-Minuten-Hike wurde wettgemacht durch fehlendes Feuerholz, so dass wir die nächste halbe Stunde mit Holzhacken verbrachten, bevor wir unsere Hütte heizen konnten. Trotzdem rafften wir uns vor dem Abend noch mal auf und durchstaksten das sumpfige Fjordland in Hüttennähe, hauptsächlich, weil wir uns nun ja schon ans Laufen gewöhnt hatten.
Nun war inzwischen Samstag, und unsere letzte Nacht wollten wir in Meeresnähe verbringen. So fuhren wir die letzten 20 Kilometer (sehr langsam, mit Stopp an jeder schönen Stelle, und davon gab es viele) zu dem Dörfchen mit dem wohl kürzesten Namen der Welt: Å.
Dort teilten wir uns eine hübsche Kabine mit einem Fotografenpärchen und verbrachten den Nachmittag im ausgestorbenen Fischer-und-Touristendörfchen mit roten Rorbuern (Fischerhütten, die meist für Touristen vermietet werden), am arktischen Meer sitzend und in die Ferne starrend, ein wenig reumütig, diese herrliche Inselgruppe am nächsten Tag verlassen zu müssen.
Denn am Samstag sollte die lange Rückfahrt beginnen. Nach einer letzten kleinen 2-Stunden-Wanderung in die nahen Berge ging es auf die in der Hochsee schaukelnde Fähre, drei Stunden später dann in Bodø in die erste Bahn um am Montag (nach einem etwas längeren Stopp im herbstlich sonnigen Trondheim mit Laub spielend und sich Geschichten zu Leuten in der Fußgängerzone ausdenkend) auf die letzte Strecke nach Oslo eine keineswegs einfache oder gar schnelle Strecke, aber doch jeden zurückgelegten Kilometer wert denn wenn ich diesen Blog damit nicht zum Roman machen würde, könnte ich wohl noch Stunden schwärmen, von Fabelwäldern und Nordlichtern, Fjorden und Berghängen, Holzhütten und Meeresblicken.
Es war so märchenhaft, wie sich jedes norwegische Klischee malt: krumme Bäume, die auf den schmalen Rändern eines abfallenden Steilkliffs ihre Wurzeln zwischen den moosigen Stein schlagen, dahinter ein im Sonnenlicht regenbogenfarben werfender Wasserfall, der über abgerundeten Stein Dutzende Meter hinab in den salzigen, eiskalten Fjord stürzt, Wasser, Wald, Klippen, Stille, kaum eine Menschenseele im ganzen Fjord, vereinzelte Fische und mittendrin drei Kayaks, der kalifornische Surfer-und-Rettungsfahrer, den ich im bergener Hostel kennengelernt habe, ich und unser privater Guide, ein gebürtiger Bergener mit Passion für Kayaks, Fische und die Natur. (Von ihm stammen auch die Fotos, vielen Dank an God Tur, der Name passt). Zusätzlich zeigte er uns nicht nur jenen abgelegenen, von Touristenströmen verschonten Fjord, sondern brachte mir bei, wie man sich absichtlich zum Kentern bringt (das war ein Spaß) und dann wieder ins Boot kommt. Wir fuhren unter einem Wasserfall hindurch (sicherer, nicht leicht bröckelnder Stein, wie er betonte) und lunchten inmitten der Herrlichkeit auf einem sonnigen Stein.
Aber das war nicht der einzige Grund, warum mein letztwöchiger Ausflug nach Bergen ein famoser Trip war. Ich wanderte gute acht Stunden (im Aufzug eines 20er Jahre Sonntagswanderer, der jedem erklären musste, dass er dress up for nature betreibt) die Stolzekleien hoch und über den touristischen Hausberg Fløyen bis zum gute 600 Meter hohen, von steiniger Natur und gestapelten Wegsteinen umringten Ulrikken,
…stromerte durch die Gässchen und Holzhäuser-gesäumten Straßen der mit 200.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt des Landes, genoss Hafenblick von der Hosteldachterasse, zog couchsurfenderweise zu einer fast veganen naturbewussten Köchin und Meeresbiologin um, die mir noch mehr versteckte Gässchen, famose Streetart, Flohmärkte und eine Stavkirken (Holzkirche aus frühchristlichen Zeiten) zeigte (ich konnte ihr im Austausch immerhin beibringen, wie man Schupfnudeln macht), ging im Aufzug der Nacht die 500 Stufen zum Stolzekleien erneut hoch in der Hoffnung auf potentiell angekündigte Nordlichter (die zwar nicht kamen, aber der Blick aufs nächtliche Bergen machte das wett) und sammelte einige neue Ideen für Roman und Songtexte. Heißa. Ein langer Satz für eine lange Woche.
Und dabei war die Woche davor kaum weniger famos: ich nahm an meinem ersten Osloer Poetry Slam / Open Mic teil, bei dem neben einem englisch übersetzten Text ein deutscher Fremdgang-Text dank Begleitung eines begabten isländischen Beatboxers zu neuem Leben erwachte, sah eine merkwürdige avantgardistische Kunstperformance mit abstrus verkleideten Tänzern unter zuckendem Licht und seltsamen Tönen zu der meine Nachbarin Locke mich mitnahm, ging mit meinem Kommilitonen-Kumpel Erdwind zu einem Open Air Kino über südafrikanisch-oppositionelle Alternativkünstler und wandelte spontan eine als Dachterrasse geplante Party in eine Zimmer-und-Flurküchen Feier mit gut zwanzig Freunden und Kommilitonen auf engstem Raum um. Und ja, nebenbei las ich tatsächlich auch spannende Unitexte. Glaubt ihr mir vielleicht nicht, aber doch doch, auch wenn ich selbst nicht genau weiß wann ich das tat. Mein erster Monat Norwegen neigt sich dem Ende zu, aber schon nächste Woche geht es auf den nächsten Trip…
Auf der Trollzunge
Unter mir erstreckt sich ein mächtiger Fjord, die mehrere hundert Meter hohen Steilklippen ragen steinern und nur im unteren Drittel bewachsen daneben auf und ich sitze auf dieser kleinen, schmalen, zum Glück nur begrenzt windigen Klippe namens Trollzunge, die Beine über dem Abgrund baumelnd. Trolltunga ist, trotz aller touristischen Popularität (kommt man Mittags, muss man Schlange stehen) ein mächtiger Anblick. Neben der berphmten Klippe ragt noch eine kleinere über die Schlucht, ein paar weitere nah-am-Abrund-Stellen laden zum Wagemut ein und wir probieren natürlich alle davon aus.
Wir, das sind 5 internationale Studenten an der Uni Oslo (die wanderunerfahrene Biologin, der Kommunikationswissenschaftler, die britische Skandinavistin, die australische Designerin und ich), die sich am letzten Wochenende zusammengetan haben, die Trollzunge zu bezwingen. Am Freitag hatten wir uns aufgemacht, gleich nach der Uni den Mietwagen abgeholt und unsere vollbepackten Rucksäcke mit einer Armada von Sandwiches verstaut und waren die guten 6 Stunden nach Odda gefahren auf der südlichen Strecke, ein herrlicher Weg vorbei an Wasserfällen und Seen (was auch sonst) und mit nur einem Verfahren das aber dafür schöne Aussicht auf schmaler Straße bot. Erst nachts und im Regen erreichten wir den Campground, wo wir möglichst zügig das eine Zelt aufbauten (zwei schliefen der Einfachheit halber im Auto), und am Morgen mit Ausblick auf (na was wohl) einen riesigen See erwachten. Nicht weit von Odda entfernt kamen wir dann zum Startpunkt des Wanderweges, der selbst im schlechtwetterlichen Spätsommer (obwohl wir kaum Regen hatten danach) gut besucht war.
Der Weg beginnt mit einem furchtbar steilen Stück gute 1,7 Kilometer, die man auch auf den mit viel Fantasie als Treppe zu bezeichnenden Holzstreben auf einer alten Zahnradbahn zurücklegen kann (und dabei das Tal erschreckend klein werden sieht). Völlig erschöpft und durchschwitzt kamen wir oben an, yeah, wir hatten es geschafft, jetzt fehlten nur noch 9 Kilometer. Die gingen auch erstmal noch weitere 3 km relativ durchweg aufwärts, bevor wir das obere Plateau erreicht hatten und da nun eine Weile mit nur kleineren Steigungen, dafür aber mit einem eiskalten, starken Wind kämpfen mussten.
Wir schlugen unsere Zelte 2 km vor dem Ziel auf, an einer Stelle, die nicht wirklich als windgeschützt, aber immerhin windgeschützter als der Rest zu bezeichnen war zum einschlafen begleitete uns das Knattern der Zeltwände im Wind. Auf der Höhe findet sich nun wirklich nicht mehr viel außer einer klaren Quelle, teils sumpfigem Moos und ein par quiekenden Lemmingen. Wir bereiteten unseren Couscoussalat vor damit er seine zwei Stunden ziehen konnte und wanderten dann, vom Gepäck befreit, weiter zur Klippe, durch steinige Felslandschaft, auf der nur das rote “T” und übereinandergestapelte Steine uns den Weg wiesen. Und dann eben Trolltunga. Wir hatten den Ort aufgrund der späten Zeit fast für uns, und nur eine kleine Gruppe Wanderer, die um 7 tatsächlich noch vorhatten den ganzen Weg zurückzugehen, kreuzte noch unseren Weg.
Am nächsten frühen (und sehr kalten) Morgen gingen die Skandinavistin, die Designerin und ich noch einmal dorthin, wo wir schonmal so nah waren, und genossen die kalte Morgenluft auf der einsamen Klippe, bevor wir unsere Zelte einpackten und uns auf den Rückweg machten.
Wir waren schon am frühen Nachmittag wieder unten, so gönnten wir uns noch überteuertes Mittagessen in Odda und fuhren auf der Nordroute wieder nach Oslo zurück praktischerweise fand sich genau auf dieser Strecke nebenbei noch der höchste Wasserfall Norwegens (schmal, aber wirklich verdammt hoch, und man kann es kaum in ein Foto packen, erst Recht nicht, wenn man den daneben liegenden, nicht so hohen aber viel mächtigeren Wasserfall mit ins Bild bekommen möchte). Als es gerade dunkelte, bemerkten wir eine im Vikingerstil gebaute Holzkirche in einem der passierten Orte und unsere Skandinavistin rief aus das sei die 1000 Jahre alte Stavkirkene, wir müssten anhalten! Taten wir, war sie aber nicht, sondern die Achtzehnhundert-Nochwas “neue” Version, die natürlich trotzdem ihre Reize hatte. Da es schon spät war, wollten wir nicht nach der ursprünglichen suchen – taten wir auch nicht, sondern fuhren wiederum zufällig nur fast vorbei. Die noch nach Holz riechende, 1170-Kirche auf einem abgelegenen Hügel umringt von metallenen Kreuzfahrer-Gräbern mit schweren metallenen Kreuzen hatte schon einen eigenen Effekt, so in der Dämmerung, mitten im westnorwegischen Nirgendwo.
Das war also das Wochenende, ein wahrhaft fantastischer Trip. Aber das ist noch nicht mal alles, was seit dem letzten Blog passiert ist. Hier eine Kurzfassung des Rests:
– Ein Tageswanderausflug in die Østmark, leicht per Metro erreichbar und doch so abgelegen einsam schön als wäre es mitten in der Wildnis
– Ein zunehmend interessanter werdender Unikurs der mich wirklich nicht bereuen lässt hier zu sein
– Entspannen auf der Terrasse mit neukennengelernten Nachbarn und dem Columbiano
– Ein überraschender Besuch von meinen “Schwiegereltern” aus Hannover mit Hafenwanderung
… und viele weitere Eindrücke, sei es von der Uni oder der Stadt, die mich hier wirklich in gewisser Weise ankommen lassen.
Danke an Jo für die Fotos!