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Alles läuft irgendwie anders als geplant. Forschen in Bogota

Mittwochs sollte ich eigentlich um 14 Uhr mein Experteninterview mit dem Anthropologen Eduardo Restrepo an der Universidad Javeriana in Bogota führen. Mein derzeitiger Mitbewohner (ich bin in der Wohnung eines Bekannten untergekommen) begleitete mich dorthin und so fand ich auch zügig das entsprechende Büro – nur den dazugehörigen Professor nicht. Ich wartete eine volle Stunde bevor ich aufgab, und stattdessen das Instituto Pensar suchte, wo Ana Maria Gomez-Londoño, eine Freundin meiner Zweitkorrektorin in Halle, Liliana Gomez-Popescu vom romanistischen Institut, arbeitet. Trotz des unangekündigten Besuches (sie war auf ein Treffen für Donnerstag vorbereitet), fand sie Zeit für mich und wir unterhielten uns sehr interessant über mein Thesis-Thema und die Probleme beim Forschen, sie schenkte mir ein Buch, das kürzlich hier veröffentlicht wurde, aber wie so oft bei Universitätsliteratur, noch eine Weile in die “normalen” Buchläden brauchen wird, und vermittelte mir den Kontakt zu einer weiteren Proifessorin an der Universidad Javeriana, die auf dem Gebiet der Afrokolumbianer (meinem Thesis-Thema) bewandert ist (Graciela Maglia)- vielleicht kann ein Experteninterview mit ihr jenes mit Herrn Restrepo ersetzen – der konnte nämlich Donnerstag nur zu genau der Zeit, zu welcher ich bereits ein weiteres Interview führte, und ist danach in Argentinien… Mittwochs kam er nicht zur ausgemachten Zeit, weil er durch die Streiks aufgehalten wurde – kolumbianische Studenten befinden sich derzeit landesweit in Streiks gegen die Gesetze zur Ermöglichung einer universitären Profitorientierung.

Am Donnerstag hatte ich für 9 Uhr ein Interview mit dem Gründer und Ex-Präsidenten der afrokolumbianischen Organisation Cimarron, Juan de Dios Mosquera, vereinbart, stand also früh auf, packte Aufnahmegerät, Kamera und Regenkleidung ein und machte mich auf zu der Adresse, die ich von der Organisation in einer Mail stehen hatte – Calle 13 mit Carrera 5. Dort fand ich jedoch nicht die angegebene Hausnummer vor. Ging auch schwer, da ich mich in der “neuen” Calle 13 befand. Die Adresse stammte aus der Zeit vor der Strassenumbenennung (wann immer das war). In der alten Calle 13 fand ich die Nummer – nicht jedoch Cimarron. Der Sicherheitsmann wusste nichts von einem Dios Mosquera. Zum Glück entdeckte ich ein Papierschild mit dem Hinweis, Cimarron sei umgezogen in die Carrera 9 mit Calle 12. Vier Blocks runtergelaufen. Es gibt die Calle 12a, 12b und 12c. Es kostete mich eine Weile bis ich schliesslich das richtige Haus fand und im 3. Stock vor der Sekretärin stand, die mir sagte, Herr Dios Mosquera sei nicht im Haus. Es war 9:30. Auf telefonische Nachfrage stellte sich heraus, dass sein Flug von Cali Verspätung gehabt hatte. Um 10 Uhr tauchte er schliesslich auf. Dann zum Glück lieft das Interview wirklich hervorragend. Zwei Stunden später verabschiedete ich mich mit jeder Menge gutem Interviewmaterial.

Nach dem Wegfall meines ursprünglich geplanten Interviews mit Herrn Restrepo versuchte ich dann, die mir empfohlene Graciela Maglia zu erreichen. Leider vergeblich. Als ich in der dortigen Fakultät stand und feststellte, dass sie auch vor Ort nicht vorzufinden war, gab ich nach, als mich mein guter Freund Victor anrief und fragte, ob ich Zeit habe um mich mit ihm in der Uni Nacional zu treffen. Also machte ich mich auf den Weg dorthin, und während gemeinsamen Mittagessens fragte er, ob ich mich denn schon nach geeigneten Personen an seiner Uni umgesehen habe. Hatte ich noch nicht. Wir schauten in der Fakultät der Sozialwissenschaften vorbei, die wegen des nationalen Streiks fast völlig vereinsamt war. Eine Sekretärin konnte mir jedoch die Telefonnummer einer Expertin auf dem Gebiet der Afrokolumbianer geben, die ich sogleich versuchte zu erreichen. Vergeblich. Eine andere Sekretärin beantwortete stattdessen den Anruf, und wies mich darauf hin, dass ich die besagte Frau wahrscheinlich am selben Abend (gestern) bei einer Theatervorführung der Projektreihe “Genereo y Racismo” in der Uni vorfinden würde. Nun, das klang auch so interessant, und ich erschien pünktlich um 6 am angekündigten Ort. Inzwischen gelernt: Pünktlich und Lateinamerika ist nicht wirklich kompatibel. Die Veranstaltung begann um 7:15, war dann die Wartezeit allerdings wirklich wert. Die Professorin fand ich zwar nicht, dafür unterhielt ich mich nachher jedoch noch mit Franklin Hernandez, einem der Schauspieler, der als Anthropologe auch für die dem sich kritisch mit Diskriminierung von Afros auseinandersetztenden Theaterstücks zugrundeliegende Forschung verantwortlich war. Kurzerhand notierte ich seine Telefonnummer, und heute werde ich, wenn alles gut läuft, ein Interview mit ihm durchführen. Und, um mein Forschungsglück gänzlich wieder dem positiven zuzuwenden, bekam ich endlich eine Antwort von Graciela Maglia, die ihre Mails aufgrund einer Forschungsreise noch nicht gelesen haben konnte. Am kommenden Dienstag habe sie Zeit für ein Interview. Nun hatte ich zwar eigentlich geplant, ab Montag abend wieder nach Medellin zurückzufahren. Aber… naja, ihr seht es selbst, das kleine Wörtchen “geplant”. Konnte ja nichts werden.

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Forschungsarbeit

El Mundo von 1980Da habe ich Fotos meiner WG versprochen, und ihr seht das hier. Ist natürlich nicht meine WG – sondern die Bibliothek der Universidad de Antioquia, eine große öffentliche Uni in Medellín, keine 5 Minuten Fußweg von meiner Unterkunft entfernt. Praktischerweise findet sich hier zumindest was die Zeitungen betrifft, alles was ich für meine Erhebungen brauche, so dass ich mir lange Wege durch die Stadt sparen kann. Nachdem mein Mitbewohner Nicolás mir gestern eine kleine Führung durch Campus und Bibliothek gegeben hatte, konnte ich mich nun effektiv an die Arbeit setzen (nachdem ich die Sicherheitskraft am Campus-eingang überzeugen musste, dass ich hier wirklich in die Bibliothek muss…). Allein heute las ich mich so durch mehrere Ausgaben der regionalen Zeitungen “El Colombiano” und “El Mundo” aus dem Jahr 1980, und konnte sogar ein paar wenige relevante Artikel vorfinden. Worum es eigentlich geht bei meiner Arbeit?
Bei der ZeitungsrechercheIch recherchiere hier für meine Bachelorthesis zum Thema der afrokolumbianischen Identität, genauer das Selbst- und Fremdbild. Hierzu analysiere ich zum einen zwei in Medellin veröffentlichte Presseorgane im Vergleich zwischen den Jahren 1980 und 2010, um festzustellen, ob im dort projizierten Fremdbild ein Wandel stattgefunden hat, seit Kolumbien 1993 zur “multiethnischen Nation” deklariert wurde. Dazu kommen dann noch ein paar Interviews und Beobachtungen die ich führen werde, aber dazu schreibe ich mehr, wenn es zu diesen Interviews kommt. Jetzt beschäftige ich mich also mit den genannten Zeitungen, wobei die Analyse selbst erst später kommt. Zuerst muss ich die insgesamt 56 Zeitungsausgaben durchsehen und jeden Artikel, der irgendwie Afrokolumbianer erwähnt oder zum Thema hat abfotografieren – ich könnte sie wohl auch fotokopieren, aber dann müsste ich mit den großen Zeitungen (die man ja auch nicht falten darf) in den Keller rennen, bloß um dort je einen kleinen Artikel daraus zu kopieren. Umständlich. Außerdem kann ich das dann nachher alles in meinem Rucksack mitnehmen. Digitalismus ist doch schon was praktisches.
Und damit hier schonmal ein wenig Stadtatmosphäre rüberkommt (obwohl ich selbst mich jetzt erstmal der Arbeit widme), noch ein schönes Foto von einem Platz hier direkt um die Ecke der Uni. Mehr kommt natürlich später.
Medelliner Skulpturd