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So macht man also eine Soziologieexkursion

So macht man also eine Soziologieexkursion
Eigentlich sollten wir ja heute schon mit der Praxis unserer Exkursion anfangen. Wir sind aber in Peru. Pues, nachdem wir gestern abend auf Unikosten aus Lima los sind, kamen wir übermüdet heute früh in der Andenstadt Huancayo an. Nach komplizierten Gruppenaufteilungen (die ja eigentlich schon feststanden, aber der Prof das eben nochmal ummodeln musste) fuhren Abél, Sokrates, Ximena, Pex, Maria-Gracia, Andrés und ich ins nahegelegene Concepcion, in dessen Nähe wiederum unserer Untersuchungsort Matahuasi liegt. Ein paar brauchten erstmal Schlaf zum nachholen während der Rest von uns zum Kloster hochfuhren und vor Ort feststellten dass selbiges von 12 bis 15 Uhr geschlossen hat. Dann gabs Mittagessen und anschliessend noch eine Siesta, die sich viel zu lang ausdehnte, bis wir aufwachten und feststellten, dass es erstens regnete, zweitens spät war, so dass wir nur noch ein wenig planten, was wir morgen arbeiten werden. Ich hatte irgendwie schon Mittags das Gefühl, dass das heute nichts mehr wird. Aber egal, für mich ist die Note eh irrelevant und so genoss ich die ruhige Atmosphäre Concepcions mit meinen Komilitonen, mit denen ich mich wirklich gut verstehe – eine bunt gemischte Soziologentruppe aus Mittelschichtskreisen, weltoffen, liberal (im nicht-deutschen Sinne) und gebildet, so dass man sich wirklich gut mit ihnen unterhalten kann. Hat ja ne Weile gedauert, so nen Freundeskreis zu finden, aber geht doch. Abends unterhielten wir noch bei einem Weinchen aus meinem Riesenrucksack über unser Projekt, das leckere Anticucho-Abendessen und was uns sonst noch so einfiel und morgen sehen wir dann, wie weit wir kommen.

15.10.10, Concepción

Ultrasoziologe
Den ganzen Tag waren wir unterwegs, interviewten die Bürgermeisterin von Matahuasi (=”Zwei Häuser” auf Quechua… sind aber mittlerweile doch ein paar mehr), den 1. Sekretär der comunidad campesina (kommunale Organisation von Landwirten/-besitzern) und befragten mehrere Dorfbewohner über das ganze Spektrum ihres Lebens – am interessantesten fand ich das mit Sokrates geführte Interwiev einer Ladenverkäuferin, die hauptsächlich mit ihrer Familie von der Landwirtschaft lebt. Ihre Einstellung zur comunidad campesiana war sehr kritisch (man muss aber berücksichtigen, dass die meisten Einwohner schlecht über deren Tätigkeiten informiert sind); beeindruckend war die nicht gänzlich negative Einstellung zum Sendero-Terrorismus (“die haben wenigstens die Verbrecher von der Strasse gehalten”) und der Aberglaube über Heimsuchungen durch Verstorbene, die in Form von zwei-Menschenlöpfigen Hunden den Tod bringen, wenn sie zwischen den Beinen durchlaufen, weshalb man schnell die Beine kreuzen muss. Interessanterweise ist das “seltener geworden”, seit es (seit ca. 20 Jahren) elektrisches Licht gibt. Die Wasserversorgung ist unterdessen mangelhaft, trotz regelmässiger 4-Sol-Zahlung pro Monat (…) oft nur stundenweise – letztes Jahr gab es wegen eines Defekts einen Monat lang kein fliessend Wasser und es musste aus Concepcion angefahren werden. Das Flusswasser kann man wegen der Verschmutzung von den Minen auch nicht nutzen. Froh war die Frau trotzdem, hier und nicht in Lima zu wohnen, wo man sich nach einem Tag in den Strassen “das Gesicht abwischen kann und schwarze Hände hat”.
Wir haben uns also den ganzen Tag über soziologisch bescháftigt und kehrten Abend im strömenden Regen nach Concepción zurück, wo der Abend mit Pisco, Poesie, Kartenspielen und Gespräche über Pex’ “combate” im Bad ausklang… 😛

16.10.10, Matahuasi/Concepción