Verloren in Nicaragua
Spontan wie ich bin, habe ich mich heute kurzerhand nach Nicaragua begeben, um schon mal zu sehen, was mich so erwartet. Nicaragua, direkt nebenan zu Costa Rica, liegt nicht wie erwartet nahe der Pacifico, sondern bei San Felipe. So, verwirrt? Gut, das war ich auch, wenn auch auf andere Weise. Ich rede natürlich von Strassen, bzw. im Fall der “Pacifico” von einer (privaten) Uni. Und die Nicaragua… nun ja, die gibt es laut meiner Karte zwei Mal. Leider habe ich erst nur die eine gesehen, die mittlerweile anders heisst, und deshalb wie blöde gesucht und telefoniert, bis ich die andere, kleinere Nicaragua in der Nähe der Avenida San Felipe gefunden habe. Der Grund dieses komplizierten Ausflugs war meine zukünftige Unterkunft: da meine bisherige in Pueblo Libre zwar durchaus echt in Ordnung, aber leider zu teuer ist, habe ich mir in einem Hochhaus (ja, Flo, in einem Hochhaus… ich…) in San Felipe (in Jesus Maria, nahe des Viertels San Isidro wenn ihrs genau wissen wollt) die Wohnung von Angela angesehen. Angela, die in Lima Gastronomie studiert, wohnt hier die Woche über, finanziert von ihrer Tante, und verbringt das Wochenende anscheinend meist bei ihren Eltern ausserhalb der Stadt. Und sie sucht eiunen Mitbewohner für das leere Zimmer in diesem Appartment – klingt ungerwöhnlich für eine Peruanerin? Stimmt – aber sie hat ja auch eine Zeit lang in Barcelona studiert, das hat wahrscheinlich seinen Einfluss hinterlassen. Alles in allem spricht wenig dagegen: es ist (ein gutes Stück) billiger, genauso sicher und gut gelegen, und ich hätte eine etwa gleichaltrige Mitbewohnerin. Nachteil: es ist ein Stückchen weiter von der Uni entfernt (allerdings nicht so weit wie befürchtet) und es ist eben ein Hochhaus ;). Könnte aber schlimmer sein… Nun ja, jetzt warte ich noch ein weiteres Angebot ab, das ich leider nicht mehr ansehen konnte vor meiner Abreise, und dann mal sehen wo man mich im September findet.
Ansonsten habe ich den Tag genutzt und kurz mal in Miraflores vorbeigeschaut – und das Meer gesehen! Beeindruckend – man sieht kaum den Unterschied zwischen Himmel und Meer. Da wird man mich sicher noch öfters sehen.
Und um den Tag zu perfektionieren: für etwa 2 Stunden war zeitweise ein kleines bisschen Blau am Himmel zu sehen…
Pues, jetzt sitze ich im Bus nach Arequipa und die beiden Kinder von Juan, einem Kerl mit dem ich mich an der Gepäckabgabe unterhalten habe, probieren aus, wie weit man die Sitze vor meinen Knien nach hinten stellen kann. Juan sagt ihnen gerade, sie sollen aufhören, weil “el joven” gerade am schreiben ist… sein Machtwort hält nur für kurze Zeit an. Ich hoffe sie schlafen bald ein, damit ich die kommenden Stunden im Bus überleben werde 😉 Und morgen dann: Arequipa!
4.8., Ormeño-Bus Lima-Arequipa
170 km bis Arequipa
Der alte Bus, dessen Lüftung schon lange nicht mehr zu funktionieren scheint, kämpft sich einen weiteren Berg durch die Wüste hoch. 170 km bis Arequipa, sagt ein Schild an der Seite des Weges. Immer noch. Das letzte Schild um 13:15 zeigte 174 km. Jetzt ist es 14:35. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie sich vermessen oder wir uns verfahren haben. Ormeño ist schon eine tolle Buslinie.
Seit 17 Stunden sitze ich jetzt im Bus. Die beiden Kinder George und Milagros sind eigentlich ganz nett, 8 und 10 Jahre alt, fragen mich immer mal wieder aus oder beobachten mich beim Schlafen. Zur Mittagspause haben mich Juan und seine Frau zum mitgebrachten Essen und einen Anismate eingeladen und mich bereits im Voraus zu einer richtigen warmen Mahlzeit eingeladen, wenn sie wieder zurück in Lima sind (Telefonnummern sind inzwischen auch ausgetauscht) – jetzt fahren sie erstmal zum Familienbesuch nach Juliaca.
Nachdem wir uns in der Nacht gut mit Jacken einwickeln mussten, knallt jetzt die Wüstensonne auf unseren Bus und lässt mich an die deutsche Sommerhitze denken die ich noch vor weniger als einer Woche erlebt habe. Der gelbe Wüstensand zieht sich endlos an der Pazifikküste entlang, zerklüftete Felsen lösen Sanddünen ab. Hin und wieder ein paar Baracken im Nirgendwo, hier und da ein kleines Dorf mit fünf Häusern, einem Restaurant und dem Schild “Zona Urbana”, alle paar Stunden ein grösserer Ort, bei dem fliegende Händler in den Bus steigen und Drinks, Knabberzeug und Medizin verkaufen.
Am beeindruckendsten jedoch der Ausblick, wenn wir hinter einem Berg hervorkommen und in ein Tal blicken, welches von einem winzigen Fluss durchquert wird – welcher wiederum das ganze Tal begrünt, so dass man grüne Wiesen, Anbaufelder und kleine Hütten inmitten der Wüstenberge ausmachen kann.
Wenn es nicht so warm wäre, könnte man das viel besser geniessen. Da soll noch wer was vom Kältechaos im Sueden reden – von wegen. Ob ich mich in Arequipa über die Kälte nach dieser Wüstentour freuen werde? Ob ich ein Recht habe, mich über die 18 Stunden zu beschweren, während die Bewohner hier in diesen Temperaturen ständig leben? Wie lange wir wohl noch für die verbleibenden 170 KM brauchen werden? Und ob George und Milagros es in der Zwischenzeit überdrüssig werden, mich an den Füssen kitzeln zu wollen? Fragen über Fragen… ich hoffe zumindest, die letzte beantwortet sich bald.
5.8., Ormeñobus Lima-Arequipa
Anmerkung
So, jetzt sitze ich in einem Internetcafe in Arequipa. Wir haben insgesamt sage und schreibe 20 Stunden gebraucht. (Also insgesamt, nicht für die letzten 170 km 😉 ).
Nach der Fahrt sehr herzlich von Juans Familie verabschiedet worden und wie oben erwähnt Nummern ausgetauscht, ein Verwandter hat mich dann noch mit dem Auto bis in die Strasse Zela gebracht, wo ich in das Hostal eingecheckt habe, das Nicolas (siehe letzter Beitrag) mir empfohlen hat. Mehr dazu später, jetzt fordert erst mal mein Magen sein Recht ein.
5 Antworten auf „Verloren in Nicaragua / 170 km bis Arequipa“
mach mir doch nicht so ne angst! hatte ja eh schon so meine bedenken gegen dieses busunternehmen und dann so ein titel!!! mensch, mensch. kannst du demnächst die beiträge mit “ich bin gut angekommen, aber… ” beginnen. so rum gefällt mir, und meinem herzrhythmus, das irgendwie besser. weißt ja spannung und so, ist gar nicht so meins… 😉
Hallo Keks, wer immer du bist- aber gut geschrieben ist es! Und ein bischen Nervenkitzel soll sein. Hey, Jesko.Hört sich spannend an, deine Tour und an Bekanntschaftsmangel leidest du schon mal nicht. Toll, wie du das alles machst. Bin mächtig stolz auf dich! (Nicht nur jetzt- immer!!!) Und Hochhaus ist sicher so schrecklich auch nicht- vielleicht hast du da oben sogar ne bessere Luft (?)… wer weiß… Freu mich auf den nächsten blog. Es ist jetzt wie als du in USA warst, da haben wir auch mehr miteinander kommuniziert, als sonst, wenn du zu Hause im “Osten” bist…- Machs weiter gut und prima, dass du an deinen Bauch denkst… H.d.l. Nanni- Mami
Paps
Hallo Großer,
wie Du es immer wieder schaffst fremde Leute kennenzulernen und Dich zum essen einladen zu lassen, irre!!! Deine Kommunikationsfähigkeiten hast du eindeutig von Deiner Mama geerbt.
Ich finde es richtig toll, dass Du soviel schreibst, so können viele daran teilhaben, weil wir ja alle sehr stolz und ein wenig neidisch auf Dich sind, trotz der Hitze und der 20 Stunden.
Du bist der tollste und beste Sohn, den ich habe (hab’ ja nur einen..)
Paps
@keks: das waer doch langweilig. Bisschen spannung muss schon sein. Was dachtest du denn was passiert waere?
@ma: das hochhaus sieht sogar gar nicht so schlimm aus… lade mal demnaechst ein Bild hoch…
@paps: jetzt tu nicht so! 😉 wer lernt denn grade tuerkisch? alter schleimer 😀
freu mich dass ich euch nicht nerve mit so vielen Beitraegen – grade auf der Reise passiert natuerlich mehr als wahrscheinlich im September oder so wenn ich in Lima studieren werde…
Klar, so schrecklich siehts nicht aus, das Hochhaus- und besser als unter ner Brücke ists allemal…- Jo, Micha lernt türkisch- aber die Connectionsfinderei (Konatkte knüpfen)ist doch eher nicht so sein Ding, da ist er etwas zurückhaltender. Macht ja nichts, jedem das seine – ich hab ihn jedenfalls gefunden!!! Ja, schreib weiter was das zeug hält – wir warten immer gespannt auf die neuen Berichte. Danke für die Fotos. Nanni