Ich spar mir jetzt hier detaillierte Berichte der letzten paar Tage, die eigentlich nur mit Leute treffen, rumgammeln, feiern und Bafög-Problemen gefüllt waren. Und auch zu meiner Verabschiedungsfeier gestern fass ich mich heute mal kurz (war toll) – dafür gibts aber ein tolles Video von meiner letzten Poesia en el Parque-Präsentation mit dem Text L.I.M.A.! Viel Spass dabei 😉
Schlagwort: Poetry Slam
…mit erstaunlich kaltem Wind um die Ohren, den beinen über einem 100 Meter tiefen Felsabgrund und einer vom Meer gesäumten, 4-spurigen Strasse.
Wie das eben so ist in Peru… da bin ich so oft zum gleitschirmflugplatz in Miraflores gefahren und kam aus verschiedenen Gründen nie zum fliegen, und heute war ich eigentlich nir an der Steilküste San Isidros spazieren, und ende unter einem Tandemgleitschirm. Zufällig hatte ich dort diesen abgelegenen, sehr viel ruhigeren Startplatz entdeckt – da ich immer noch nicht zum Fliegen hier in Lima gekommen war, fragte ich einen Tandempiloten, ob er auch Ausrüstungen verleiht (für einen anderen Tag, da es schon Nachmittags war). Ich handelte ihn auf 100 Sol für nächsten Freitag runter (wenn das Wetter gut ist). Zufriegen legte ich mich auf die Wiese, betrachtete die Schirme im dynamischen Aufwind und schrieb an einem Text, als der Typ ankam und meinte, ob ich nicht jetzt auch Lust hätte zu fliegen – am Tandem mit ihm. Auf mein Zögern meinte er “Gratis”, wodurch natürlich die einzige barriere beseitigt war und so sass ich kurz darauf vor ihm im Tandemgurtzeug, lernte die Dynamik auf entspannte Weise kennen um mich am freitag schneller zurechtzufinden, und versprach ihm, ihn meinen Freunden als Tandempiloten zu empfehlen. 10-15 Minuten später war ich wieder am Boden, mehr denn je überzeugt dass ich hier ungebingt noch selbst fliegen muss (was der Pilot natürlich bezweckt hatte 😉 ). und absolut happy… Gleitschirmfliegen ist was tolles, ich kann Freitag kaum erwarten. Kann es nur jedem empfehlen – apropos, Silja, schon den Gutschein eingelöst?
14.11.10, Lima
PS: Hier noch das Video von meinem letzten Slam… leider nicht die Liveaufnahme, aber seht selbst:
The Real Barranco
Nachdem ich die ganzen letzten Tage an meiner Hausarbeit gesessen habe und an so manchen Dingen fast verzweifelt bin (Bibliothek, Statistikwebseiten von Brasilien und Ecuador…) und heute morgen einem wenig produktiven Besuch bei der brasilianischen Botschaft auf der Suche nach weiteren Informationen, gab ich für den Rest des Tages die Uniarbeit einmal auf und holte endlich nach, was ich schon eine Weile vorhatte: “Clase en la Calle: Barranco Teil II” 😉 – diesmal bei Tag. Mit viel Zeit in der Tasche wich ich auch öfters mal von den grossen bekannten Strassen ab und entdeckte den Teil Barrancos, von dem alle immer reden, den aber offenbar wenige wirklich sehen: die Boheme. Abgefahrene Wandmalereien und Graffities, ruhige Parks, verwinkelte Cafes mit seltsamen Namen…. so hatte ich mir die angebliche Zuflucht der Limeño-Künstler schon eher vorgestellt. Und es gibt auch etwas weniger reiche Häuser und Strassen, was das ganze doch etwas natürlicher macht als z.B. Miraflores. Und doch sind die grossen Verkehrsadern des Barrios mit Bars und Clubs gefüllt, und sogar einen Dönerladen gibt es. Hab mich fast wie zuhause gefühlt.
Nachmittags wurde ich dann leider vom Pech verfolgt: nachdem ich endlich den passenden Vivanda-Supermarkt mit “Mi-Ticket”-Verkaufsstand gefunden hatte, durfte ich feststellen, dass die 90Soles-Ticket für Fatboy Slim schon ausverkauft sind. Bleiben nur noch die VIP-Tickets für 149 Soles… sehr ärgerlich.
Dann durfte ich feststellen, dass die lang erwartete Poesia en el Parque für die ich mich so vorbereitet hatte, heute abend leider ins Wasser fällt, da im ganzen Parque Kennedy eine Feria de Libros (Buchausstellung) mitsamt irgendwelchen Buchvorstellungen und Lesungen ist. Auch sehr ärgerlich, erstmal allen Freunden abgesagt die eigentlich kommen wollten, damit sie nicht umsonst kommen. Noch ärgerlicher: nächste Woche kann ich nicht, weil ich da in La Paz bin…
So, wie versprochen gibts jetzt auch die Aufnahme von meinem ersten Text bei Poesia en el Parque online:
Wow. Ich brauch gar keine Museumswoche. Ich mach das alles an einem Tag. Naja, fast: Zeitig aufgestanden machte ich mich ins Stadtzentrum, um dort ein paar Sehenswürdigkeiten abzuklappern. Zuerst gings zur Iglesia de San Pedro, die nicht wirklich eine absolute Besonderheit ist, aber dank kostenlosem Eintritt auch keine Verschwendung. Auch hier wieder Prunk an allen Seiten, diesmal aber kein Pizarrosarg wie in der Kathedrale (wär ja auch merkwürdig gewesen). Danach ging es – wieder kostenlos – ins Museo banco Central de la Reserva, das, wie der Name schon sagt, im Gebäude der Zentralbank untergebracht ist. Schon witzig, dass solch eine kapitalistische Institution die dort gezeigte populäre und postkoloniale Kunst sowie präinkaische Historie umsonst zeigt, während die katholische Kathedrale einem 10 Sol abzieht… Im Keller des Museums sind in einem alten Tresorraum dann noch Goldschmuckstücke der Inka ausgestellt. Atmosphärisch passend. Und, wenn auch nur in überraschend kleinem Umfang, eine Sammlung peruanischer Münzen aus verschiedenen Zeiten. (Vom kolonialen Real über den Sol, den Sol de Oro und den Inti zum Nuevo Sol.) Zwei Kirchen, die ich unterwegs auf dem Weg fand, liess ich aussen vor – eh immer das gleiche zu sehen, und dann auch noch mit überteuertem Eintritt – und ing lieber ins kostenlose Museum der Inquisition. Da gibts dann die Gräuel der Kirche ganz plastisch an Figuren dargestellt, damit man auch noch die letzten Sympathien verliert. (Sorry an alle Gläubigen, ich rede nicht von der Religion, sondern von der Institution.) Die Führung war nicht allzu spannend, aber trotzdem streckenweise ganz hilfreich. Nach einem kurzen Mittagessen wollte ich mir noch die Kolonialhäuser Casa Pilatos und Oquendo ansehen, die laut meinem Lonely Planet besichtigbar sein sollen – das ist allerdings leider mittlerweile nicht mehr der Fall. Stattdessen dann in den Parque de la Muralla an der alten historischen Stadtmauer. Das 1-Sol-teure Museum kann man sich sparen, der Park ist aber ganz hübsch. Muss ich auch mal nachts hin, da wird der schön beleuchtet. Um meinen Powertag zu vervollständigen, gings dann abends mal wieder zu Poesia en el Parque mit meinem ersten bilingualen Text – siehe unten. Den ersten Text vom letzten Mal habe ich bisher immer noch nicht hochgeladen, das wird aber baldigst nachgeholt!
1.10.2010
Poesiemusik
Und schon wieder ist das Wochenende nur so vorbeigeflogen… Um euch nicht wieder ewig lang zuzutexten gibts hier nur ein paar Auszüge… okay, um ehrlich zu sein ist einfach nicht so viel passiert.
Am Samstag abend war ich auf einer Feier von Exil-Huancayeños in St. Anita (im Westen der Stadt), bei dem es Cuy für tolle 8 Soles gab – und um einiges besser als das auf der Feria de Comidas am Tag zuvor. Leider war ansonsten nicht ganz so viel los auf der Feier, getanzt wurde zwar natürlich auch, aber es fehlte einfach der jugendliche Anteil (den konnte man an den Händen abzählen), und die Musik war auch nur begrenzt zu geniessen.
Am Sonntag habe ich mich dann endlich mal mit Sergio getroffen, und eine kleine Gitarre-plus-Gedichte Session gemacht. Da er seit 11 Jahren spielt, ist er auch wirklich gut im Improvisieren und wir sassen eine ganze Weile lang im Park und unterlegten meine Texte mit passender Musik. Hat Spass gemacht, vor allem, als ein Passant nach einer Weile zuhörens sich mit uns über die fehlende Kulturinvestition in Pueblo Libre unterhielt (da ich ihn auf die Poesia en el Parque in Miraflores aufmerksam gemacht hatte).
Heute wollte ich eigentlich ins Museo de la Nacion gehen, das staatlich und daher kostenlos und echt riesig ist. Leider stellte ich erst vor Ort fest, dass es Montags geschlossen ist. (Doof von mir, allerdings nicht ganz so doof wie’s in Dtl. wäre, weil hier nicht wie bei euch Montags alle Museen geschlossen sind. Nur eben dieses). Stattdessen gegen Abend noch ein wenig Barranco durchschlendert und festgestellt, dass die Bar, die in meinerm 2007er Lonely Planet mit Dichterlesungen jeden Montag erwähnt ist, nicht mehr zu existieren scheint. Auch doof. 😉
Unterdessen suche ich verzweifelt ein (geöffnetes) Büro von Serpost, um rauszufinden wieviel Post kostet. Wer mir übrigens mal Post nach Jesusmaria schicken will, fragt mich nach der Adresse, ich würd mich freuen 🙂
13.9.2010, Lima
Excursion, Archäologie und Töpfererotik
Ich befürchtete schon ein Dé-javù erlebnis, als ich gestern abend in der Uni vor der aula 8 stand. Und niemand da war. Und es bei der Parallelveranstaltung des anderen Prof in der aula 25 genauso leer war. Da aber wenig später vor der 8 noch ein paar andere Studenten warteten, blieb auch ich und konnte so eine halbe Stunde später tatsächlich an meiner ersten Stunde Sociologia rural teilnehmen. Erstmals hatte ich eine wirklich interessante Klasse mit bereichernden Erkenntnissen und bin entsprechend wirklich froh, zu dieser Klasse gewechselt zu haben. Ausserdem wird es, um das ganze auch praktisch abzudecken, Mitte Oktober eine gemeinsame Exkursion geben, wo wir dann sozusagen “Clase en el campo” (auf dem Land) haben 😉 – mehr dazu natürlich, wenn es so weit ist.
Heute wurde ich dann meiner offiziellen Einschreibung gerecht und besuchte das Larco-Archäologiemuseum in der Bolívar (in dem ich bisher immer noch nicht gewesen war, obwohl es um die Ecke meiner ehemaligen Unterkunft liegt). Das Museum ist wirklich faszinierend und gut gemacht, und zeigt vor allem die zahlreichen präinka-Kulturen auf, die man viel zu selten beachtet – angesichts der Tatsache, dass Peru einige tausend Jahre von Nazca, Chancay, Moche, Lima, Paracas und und und bevölkert wurde, während die Inka nur die letzten 150 Jahre eine Rolle spielten.
In einem Extrabereich (um die Kinder fernzuhalten 😉 ) war “erotische Töpferware” ausgestellt mit Krügen, auf denen die verschiedensten Sexstellungen als Skulpturen dargestellt sind, und einem Trinkgefäss, dessen Griff der überdimensionierte Penis eines grinsenden Indigeno ist… Sinn für Humor hatten die Moche (von denen dieses Werk stammt) also auch. 🙂
9.9.2010, Lima
Feria, Poesia und der Flying Dog
Manchmal sind die teuren Ereignisse längst nicht so ein tolles Erlebnis wie die kostenlosen – so wie heute. Ich habe mich ehrlich gesagt ein kleines bisschen geärgert, 20 Soles für den Eintritt zu der diese Woche im Parque de la Exposicion stattfindenden Feria de Comida (Essens-Messe) zu bezahlen. Zwar gab es tatsächlich sehr viel beeindruckende Auswahl und ich ass mein erstes Meerschweinchen (eigentlich vom Geschmack her ähnlich wie Hühnchen… ein bisschen wie Lamm vielleicht), aber trotzdem musste man schliesslich noch für alles bezahlen (und das nicht zu wenig, auch wenn es meist von exklusiveren Restaurants war und dafür natürlich wiederum günstig war) und meist auch noch ewig lang Schlange stehen. Hätte man sicher besser organisieren können (“man” ja, Limeño nein ;)), und alles in allem bevorzuge ich dann doch, in einem richtigen Restaurant für den gleichen Preis ein ganzes menü zu bekommen. War trotzdem ganz lustig mit der Gruppe aus Nadja, Benni, Katty, drei mir bis dahin unbekannten Kanadiern, und diversen anderen Austauschstudenten.
Um 6 Uhr musste ich dann schweren Herzens (ja, das war ein bisschen Ironie) das Messegelände verlassen, um rechtzeitig um 7 beim Parque Kennedy zur Poesia en el Parque zu sein – was ich dank chaotischem Verkehr nur ganz knapp schaffte. Nach der Hälfte der Vortragenden war ich dann dran und durfte meinen Text “Ich hasse es” in deutsch und in der in den letzten tagen übersetzten Version “Yo odio” präsentieren, was echt gut ankam und richtig Spass gemacht hat. Es waren sogar zwei deutsche Touristen da, die beide Versionen verstanden haben 😉
Der Abend bzw. die Nacht ging dann in der Bar des Backpackerhostels “Flying Dog” in Miraflores zuende, wo unsere französische Kommilitonin Amandine (die hier immer “Mandarine” genannt wird, weil sich die Peruaner ihren Namen nicht merken können 😉 ) arbeitet und wir (die Leute die auch bei der Feria waren) bis 2 Uhr sassen, Pisco Sour und Machu Picchu tranken und uns über alles mögliche unterhielten. War auf jeden Fall sehr entspannt und v.a. mit Benni konnte ich mich (auf Spanisch natürlich) echt gut unterhalten.
10.9.2010, Lima
Handychaos / Poesia en el Parque
Handychaos
Jetzt habe ich ja wieder ein Handy, (nachdem ich mein erstes auf der letzten Reise verloren zu haben scheine…), also wollte ich es schnell mal mit S/ 10 aufladen. Karte geholt, *778 zum Aufladen gewählt, besetzt. Besetzt? Ja, besetzt! Supermegaklasse. Mit Hilfe von Pilar (Rosannas Schwester) den Kundenservice angerufen (123, die einzige Nummer die immer klappt), die mir zwar sagen konnten, wie ichs aufladen kann (geht nämlich bei Claro auch per Direkteingabe… für alle zukünftigen Perureisenden: *778#Geheimnummer# und Telefon. geht schneller 😉 ), aber leider kann ich noch immer in keine Leitung und konnte nirgendwo anrufen. Nächster Tipp war “SIM-Karte rausnehmen und wieder reintun” (hat natürlich nicht geholfen) und mir eine Reklamationsnummer zu geben mit der ich es in 4 Tagen noch mal versuchen könne. Mistverein. Naja, erstmal mit abgefunden, dass ich mit dem Ding wohl nur Anrufe entgegennehmen kann. Ein zugegebenerweise nur halbwegs geplantes Skype-gespräch mit meinem Paps wurde dann auch nichts und ich fühlte mich telekommunikativ gesehen ein bisschen doof 😉
Dafür gehts meinem Magen mittlerweile wieder besser. Gestern auch wieder in der Uni gewesen (Demografia social, immer noch einfach) und abends mit Katty ins Kino gegangen. Nachdem sie natürlich zu spät war, stellte ich beim Versuch, sie anzurufen, fest, dass mein Handy plötzlich einfach doch klappt. Ein Problem weniger.
Heute dann nach knapper, aber gerade noch pünktlicher Fahrt zur Uni, wo ich laut Horario um 3:00 PM Sociologia de la cultura hätte – keiner da. 20 Minuten gewartet, dann echt keinen Bock mehr gehabt. Findet in dieser Uni überhaupt irgendwas statt?! Wir haben jetzt Ende August und ich hatte bisher nur 2 (!) eher wenig produktive Klassen! Hätte ich das gewusst, hätte ich auf das teure Apartment hier im August verzichten können, gleich erst ab September in die Wohnung einziehen und den ganzen August reisen können! (und wäre durch die gesparten 750 Soles kaum teurer dran gewesen). So ein Scheiss. Aber hätte, hätte, Fahrradkette, wie Torben so schön sagt. …nicht dass es mich stört, die Zeit des Unterrichts frei zu haben – es stört, so was nicht vorher zu wissen. Vaya. Was solls.
27.8.2010, Lima
Poesia en el Parque
Um mir abends nach dem unnützen Tag mal ein bisschen mehr die Stadt anzusehen, ging es nach Miraflores. In Richtung des Parque Kennedys schlendernd traf ich im Parque Central auf eine Menschenmenge um einen kleinen, aulamässig abgesenkten Platz, in dessen Mitte ein mit Mikrofon ausgestatteter Herr dem Publikum ein Gedicht vortrug… ein Blick reichte, und ich war gefesselt, reihte mich in die Gruppe der Zuhörer ein und lauschte den Texten verschiedener Dichter: meine Augen leuchteten und ich muss übers ganze Gesicht gegrinst haben, dass man mich für die Grinsekatze von “Alice” hätte halten können. Wie sich herausstellte (ich unterhielt mich anschliessend mit dem Moderator) findet diese “Poesia en el Parque” jeden Freitag hier von 7-8 Uhr statt, jeder kann sich am selben Abend vorher in eine Liste eintragen und präsentiert seine Texte – ohne den gewohnten Poetry-Slam-Kontext natürlich, sondern mehr als Lesebühne, und mit einem etwas höheren Publikums-Altersdurchschnitt, aber ebenso mit Begeisterung und Leidenschaft und Applaus und Poesie und Reim und Inhalt und der Liebe zum Wort… jetzt kann ich mir hier echt heimisch fühlen. Ich habe schon angefangen, meinen Text “Ich hasse” (mein erster richtiger Slamtext übers Fernsehen) zu übersetzen um ihn dann hier zweisprachig vorzutragen und kann es kaum erwarten – ich brauche es eben doch einfach, das Mikro, das Publikum… und noch viel mehr den Ansporn zum Schreiben!
Auf der Taxifahrt nach Pueblo Libre zurück (nach ein bisschen Nachtleben durchschwärmen in Miraflores) unterhielt ich mich mit dem Fahrer, dessen Neffe auch Gedichte schreibt und der ausserdem schonmal in Deutschland war, über Poesie und die deutsche Mentalität. Erst nach 12 angekommen musste ich feststellen, dass die hier in meiner Unterkunft tatsächlich noch ein weiteres Schloss an der Haustür benutzen, dessen Schlüssel ich nicht habe, sodass Pilar extra aufmachen musste (k.A. wie sie mich so leicht gehört hat…) – jetzt weiss ich auch warum die Regel “vor 12 zuhause” existiert… das ist ja schon irgendwie ätzend, hab schliesslich vor, noch das ein oder andere Mal abends auszugehen. Gut, dass ich ausziehe.
Heute ging es dann nach ein wenig überfälligem Wäschewaschen in den mit Katty in den Parque de la Leyendas. Der ist aber weniger poetisch als sein Name – im Grund eigentlich ein Zoo, einfach ein wenig auf die drei Landeszonen bezogen. Mit 10 Soles ausserdem lächerlich überteuert. Dafür trumpft er wenigstens mit Quantität und ist einfach riesig. Wir brauchten bis zum frühen Abend, bis der Park schliesslich schloss.
Da wir morgen von ihr aus nach Chancay fahren wollten, wollte ich anschliessend nur ein paar Sachen aus meinem Zimmer holen – da man einen Gast nun mal abends nicht draussen vor der Tür warten lässt, bat ich sie, in der Küche zu warten. Ich war kaum die Treppe hoch, da hielt mich Rosanna auf und fragte, ob ich wen mitgebracht hätte (was die Hausregeln nicht erlauben). Ich erklärte die Situation unter dem Aspekt, dass ich nur 2 Minuten meine Sachen holen würde, aber siue bestand darauf, dass ich erst runter ging, sie rauswarf und dann erst mein Zeug holte. Engstirnig. Als ich beim endgültigen rausgehen wortlos die Schlüssel auf den Tisch legte verlangte sie gar noch, ich könne mich ja auch noch richtig verabschieden. “vaza, hasta luego, me voy” sagte ich deutlich angepisst und machte mich davon. Dass die Regeln bis zur kleinkarierten Unhöflichkeit gingen war schlimm genug – mich wie ein unmündiges Familienmitglied zu behandeln, dass sie nicht ordentlich verabschiedet hatte, ging zu weit. Bin wirklich froh, hier bald auszuziehen – ich unterwerf mich doch keinen Regeln, die sich keine Familie (erst recht nicht meine) trauen würde, so durchzusetzen und lass mich dann für einen erwachsenen Studenten völlig unpassend behandeln, wenn ich nicht mal in einer Familie lebe, sondern dafür bezahle wie in einem Hotel. Also an alle potentiell interessierten – das “Boarding House” von Rosanna Paz in der Seoane 272 ist nur was für Studenten, die nicht vorhaben, mal mit nem Freund vorbeizuschauen oder abends wegzugehen. Alle anderen sind selbst in nem Hostel besser aufgehoben.
28.8.2010, Lima
Die Gesichter sind dort und ich blicke hinab, doch ich sehe sie nicht. Keinen Ausdruck, keinen Sinn, keine Augen. Ich höre sie nur, und ich sehe das Ergebnis, ganz zum Schluss, wenn der Abend gelaufen ist.
Letzte Woche in Jena, Freitag in Leipzig, gestern in Magdeburg – und heute Abend in Halle: jeder Poetry Slam ist ein neuer Sprung: auf die Bühne, ins Scheinwerferlicht das die Masse der Zuschauer unkenntlich werden lässt. Jeder neue Text eine Herausforderung, jeder neue Slam eine Überraschung, jedes neue Publikum eine andere Reaktion. Jede Stadt anders. Während ich in den letzten Tagen mehr Zeit in Zügen verbracht habe als in meiner Küche merke ich wie sehr ich das vermissen werde wenn ich in Peru bin.
Mittlerweile treffe ich auf den meisten Poetry Slams bekannte Gesichter, und wir sind vertraut geworden – ich und das Mikrophon. Und mit jedem Text reise ich wieder in eine andere Richtung.Apropos reisen: das mache ich nebenbei natürlich auch im ganz banalen Sinn: gestern habe ich das erste Mal Magdeburg von innen gesehen, und war positiv überrascht. Als Hallenser hört man ja nicht viel Gutes über die sachsen-anhaltinische Konkurrenzstadt. Ich bleibe natürlich trotzdem lieber hier, allein wegen dem Poetry Slam, aber zu verachten ist die Stadt auf jeden Fall nicht.
Heute Abend gibt es dann das Heimspiel in Halle zur Poetry Slam-Stadtmeisterschaft. Hier kenne ich das Publikum, die Location (die ich nach diversen anderen Slams jetzt umso mehr zu schätzen weiß), die Moderation (auf die das genauso zutrifft) und die Stimmung. Und doch wird wieder alles anders, mit einem neuen Text und dem Gedanken im Kopf, dass es um die hallesche Meisterschaft geht. Denn irgendwie ist immer alles anders. Texte kommen und gehen in meinem Hirn wie Menschen in mein Leben, und so mancher Lieblingstext wird zu einem unter vielen, wenn er einfach nicht so ankommt, wie man es erwartet hat: ich bin gespannt wie es weitergeht, denn eins ist sicher: die Leidenschaft bleibt.