Un techo para mi pais
Auf die Gefahr hin, mal etwas weniger Spannendes zu erzählen, möchte ich doch wenigstens festhalten, was noch so in Bogota passiert ist, bevor ich nach Medellin aufbreche. So besuchte ich noch das Botero-Museum (das ist der Künstler, der ständig dicke Menschen malt) und das Museo Nacional in Bogota (v.a. in der modernen Geschichte sehr interessant – aber seehr viel, und man muss sich mehr Zeit mitnehmen als wir), und lernte am 13.1. abends ein paar Freunde und Arbeitskollegen von Jenny kennen, mit denen wir ihren Geburtstag feierten (leckeres Kartofellgratein und viel zu viel Kuchen). Am 14. hätte es eigentlich eine grosse Berichterstattung vom Septimazo geben sollen, der aufgrund des Ferienendes und unserer späten Ankunft jedoch leider nicht so spektakulär war (die ganze Carrera 7 wird jeden Freitag abend zum Fussgängerbereich mit Musik, Tanz und Kunst… eine genaue Beschreibung in Jennys Blog). Was für eine doch so andere Art, seinen Freitagabend zu verbringen…
Auch ansonsten war ich ein bisschen glücklos – der sonst Samstags stattfindende Flohmarkt viel aus, das Unigelände war geschlossen, und als wir im Parque Bolivar ankamen, dämmerte es schon und fing kurz darauf fast an zu regnen. Eigentlich jedoch ein Wunder, dass das der einzige Regen meiner Zeit in Bogota war, und das hielt nicht mal wirklich lange an (und war für Bogota eigentlich lächerlich). Ich glaub ja immer noch nicht so ganz, dass Bogota so verregnet sein soll wie mir alle Welt erzählt hat – in meinen paar Tagen dort hatte ich grossteils strahlenden Sonnenschein 😉
Eigentlich wollte ich dann am Samstagabend ja schon nach Medellin fahren, entschloss mich kurzfristig jedoch, noch einen Tag zu bleiben, und so heute an einem Treffen von “Un techo para mi pais” (“Ein Dach für mein Land”) teilzunehmen. Das ist eine lateinamerikanische Organisation, die durch viel Freiwilligenarbeit (von grossteils wohlhabenderen Einwohnern) Häuser für Familien baut, die vorher in Barracken untergekommen sind. Mit nur einem Zehntel der Kosten und der tatkräftigen Unterstützung der Freiwilligen können diese dann in ein brandneues, schickes Holzhäuschen einziehen. Das Treffen heute war ein “Reencuentro”, also ein Wiedersehen mit den Familien, für die im Dezember Häuser gebaut wurden. Es war sehr interessant, selbige zu sehen und mit einer der Familie zu reden, die inzwischen schon einiges an ihrem Haus ergänzt und verbessert haben. Auf der anderen Seite war traurigerweise später zu beobachten, wie die Grenzen zwischen arm und reich eben doch nicht so leicht einfallen: beim Fussball spielten die Barrio-Jungs gegen die Techo-Leute, und nachher sassen sie auch jeweils in einer anderen Ecke für sich abgegrenzt. Ich will gar nicht den guten Willen absprechen, und selbstverständlich wurden auch das ein oder andere Mal Gespräche mit den “jeweils anderen” geführt, doch allgemein blieb man doch eher unter sich… auch beim grillen nachher – was übrigens natürlich nicht, wie angesetzt, ein Mittagessen war (hatten uns immerhin schon um 9:30 getroffen), sondern letztenendes erst um 17:00 fertig war. Lateinamerikanische Planung und Zeitverständnis hatten unsere hungrigen Mägen einiges warten lassen. 🙂 Auf jeden Fall war es eine interessante Erfahrung, auch, um ein wenig des ärmeren Bogotas kennenzulernen – das übrigens keineswegs an Limas Armenviertel herankommt: viele Steinhäuser, teils asphaltierte Strassen, grössere Geschäfte – das wirkt geradezu gut ausgebaut im Vergleich zu manchen peruanischen Barrios, die kaum mehr sind als eine Ansammlung von Holzhütten auf Erd- und Sandhügeln… Kolumbien ist eben doch noch eine Spur wohlhabender als Peru.
16.1.11, Bogota, Kolumbien
Zwischen Metro und Hinkelstein
Schwer zu glauben, dass ich immer noch in Lateinamerika bin – aber da sitze ich tatsächlich in einer richtigen Metro! Ja, Medellin hat ein funktionierendes Metrosystem, so richtig mit Schienen… welches ich auch gleich ausprobierte, nachdem ich festern morgen mein Gepäck bei meiner Couchsurfing-Gastgeberin Jessica abgeliefert hatte (sie selbst war noch auf Arbeit). So fuhr ich mit der Metro A einmal bis in den tiefsten Süden, wieder hoch, und dann gen Westen mit der Linie B und der daran angeschlossenen Seilbahn, die noch drei Stationen weiter die Barrios mit der Stadt verbindet. Viele tolle Aussichten auf eine eindrucksvolle Stadt aus cooler Perspektive… und ihr könnt euch gar nicht denken, wie man ein Metro/Strassenbahn oder ähnliche öffentliche Verkehrsmittel vermissen kann, wenn man hier in Amerika ist. 🙂
Danach stürzte ich mich ins Gemenge, von der Plaza de los piez descalzos (Platz der nackten Füsse) über die alte, hübsch renovierte Eisenbahn-Station runter bis zur Plaza Botero: viele schwarze Statuen – natürlich dick, wie alles bei Botero. Paradox bis abstrus, doch interessant. Noch schnell bei dem Parque Bolivar vorbeigeschaut und dann zurück nach Villa Hermosa, wo ich Jessica nun auch zuhause antraf. Nach Chaufa-kochen (es lebe Peru!) trafen wir uns abends mit zwei Freunden in der Nähe ihrer Uni, wo lauter Alternative abhingen und wir die Zeit mit Gitarre, Wein und Poesie ganz gut verbrachten.
Heute hatte Jessica netterweise frei, und so brachen wir morgens nach Guatapé auf. Etwa zwei Stunden Busfahrt von Medellin entfernt, erreichten wir diesen v.a. aus zwei Gründen erstaunlichen Ort, beziehungsweise die Landschaft vor selbigem. 1.: Der Stausee. Auf keinem der Bilder sieht er auch nur ansatzweise aus wie ein Stausee – in echt ebensowenig, doch es ist tatsächlich von Menschenhand geschaffen. Die bis ins letzte Jahrhundert nur von einem Fluss durchquerte Berg- und Hügellandschaft wurde zur Elektrizitätsgewinnung mit Wasser gefüllt – so dass nun die bewaldeten, grünen Bergspitzen als Inseln und Netzwerk aus Halbinseln aus dem See herausragen, und soweit das Auge reicht eine Seenlandschaft bildet, die so unfassbar schön ist, dass man kaum an seinen künstlichen Ursprung glauben mag. Angeblich ist aber sogar irgendwo das Kreuz einer alten Kirche aus dem Wasser ragend zu sehen. 2.: La Piedra. Der “Stein”, in deutschen Artikeln gerne als “Hinkelstein” bezeichnet (ich muss immer an Obelix denken), ist etwa 200 Meter hoch und überragt den Stausee am einen Ende absolut dominant. Und es ist wirklich ein einziger, riesiger Fels, mitten in der Landschaft. Niemand weiss so wirklich, wie es dazu kam. Man kann jedenfalls die mehrere hundert Stufen hochsteigen und hat von oben eine noch fantastischere Aussicht. Unglaublich. Leider ein bisschen nervig, dass da oben ein Laden mit Musik rumdudelt, wo man eigentlich die Ruhe der Natur sucht, aber ich kann schon froh sein, dass der Fels nicht wie zu Wochenenden von Menschen überflutet ist, sondern nur eine Handvoll einsamer Besucher herumstreunten, was das ganze sehr viel schöner machte.
Nach einer ganzen Weile da oben stiegen wir hinab und wanderten zum hübschen Ort Guatapé, assen leckeres Abendessen und erwischten nach einem kurzen Aufenthalt in einer der Buchten für den Sonnenuntergang noch den letzten Bus nach Medellin. Vollendeter kann ein Tagesausflug kaum sein, und meine Liste der Orte in der Welt, die ich nur jedem jedem jedem weiterempfehlen kann, ist um einen weiteren ergänzt worden 😉
18.1.11, Medellin, Kolumbien